Bibliothek der Unterhaltung und des Wissens : mit Original-Beiträgen der hervorragendsten Schriftsteller und Gelehrten. Bd. 7.

Roman von F. v. Zobeltib. 115

Was die Arme in den drei langen Fahren ihrer Che ge= litten haben mag, iſ ſicherlih furchtbar geweſen — das Ungeſeßliche in der Natur beſtraft ſi ſtets! Frau v. Hil= gersdorf iſt niht ſ<le<t, ni<t [<le<t geworden — es liegt mir fern, dies zu glauben, aber ihre vergiftete Jugend hat ihrem Charakter einen dämoniſchen Zug verliehen. Sie wird nie glücli<h werden, niemals, deshalb iſt ſie doppelt bemitleiden8werth!“

„Auch ich bemitleide ſie, die faum älter iſt als i<, und do< ſchon ſo unendlich viel ertragen mußte,“ meinte Lucia. „Nux Eines verſtehe i<h niht: können ſeeliſche Leiden, wie Frau v. Hilgersdorf fie erduldet, anders wix= fen, als beſſernd und veredelnd? Du ſagteſt ſelbſt vorhin, daß etwas von einem dämoniſ<hen Elemente in ihr lebe, das erſt die traurige Che in ihr gewe>t; wie iſt das mg= lich, da alles Leid doh nur läuternd wirken kann? Nux ſäuternd jedenfalls bei Naturen, die uxſprünglih gut und groß veranlagt ſind!“

Ein ernſtes Lächeln zog über das Antliß der Tante. „Das Menſchenherz iſt ein urewiges Räthſel, mein Kind,“ antwortete ſie, „es hat ſeine unexklärbaren Geheimniſſe, iwie das Weltall. Eine einzige Erſchütiérung genügt, um den Schnee auf den Bergen in Rieſenlawinen verderben= bringend zu Thale zu ſtürzen, ein Atom reicht hin, um zu einer Welt zu werden, ein einziger Funke, um mächtige Exploſionen hervorzurufen. So iſt im Menſchendaſein ein Moment im Stande, das beſte Herz von Grund aus um= zuwandeln. Jedes ſ{<hwerwiegende Ereigniß hat eine Kette von neuen Ereigniſſen un Gefolge, jedes Leid ſchafft neue