Bibliothek der Unterhaltung und des Wissens : mit Original-Beiträgen der hervorragendsten Schriftsteller und Gelehrten. Bd. 7.

118 Unſichtbare Hände.

naturgemäße Aufregung zu ertragen. Wollen wir niht noch ein paar Tage warten? Wahrhaftig, Lux, ih ängſtige mich, ih habe de8halb au< den Rechtanwalt Wallerſtein, der Dich geſtern bei der Teſtamenteröffnung vertrat, ge= beten, Dich vorläufig -no< nicht mit ſeinen Formalitäten heimzuſuchen; ih möhte, daß Du Dich noh na< Mög= lichkeit ſchonteſt !“

„Aber, Tantchen, ſehe ih denn niht ſhon wieder wie das Leben ſelbſt aus! Sieh? mich nux einmal genau an, ret genau!“ rief Lucia und trat vox den Wandſpiegel, der dem Kamin gegenüber in die braungemuſterte Tapete eingelaſſen war. x

Dex Spiegel warf hell und klax das Bild des jungen Mädchens zurü>, aber Lucia erſchrak faſt davor, ſie hatte nicht gedacht, daß die vierwöchentliche Krankheit ſo tief ihre Spuren auf dem fonſt ſo roſig friſchen Geſicht ein= prägen würde. Lucia war eine mittelgroße, ſ{<lanke, vornehme Geſtalt, mit einem Köpfchen, das jet, wo die Züge infolge des Krankenlagers noch ein wenig ſ{<här= fer verliefen, ganz knabenhaft erſ<hien. Das Profil war völlig regelmäßig geſchnitten, von faſt Úlaſſiſcher Formen= ſchöne in jeder einzelnen Linie, aber ihm fehlten die weichen Nebergänge, die man ſonſt bei Mädchengeſichtezn findet. Die Stirne war hoh und gewölbt, und über ihr kräuſelz ten ſich einige blauſhwarze widerſpenſtige Lötchen. ZWit= ſchen den ſcharfgeſ<wungenen Augenbrauen ſeßte eine feine und gerade Naſe ſih an, der Mund war voll und zeigte blißend weiße Zähne, das Kinn var rund und energiſch. Uebex den großen, tiefdunklen Augen ruhte ein ſüßer Schmelz,