Bibliothek der Unterhaltung und des Wissens : mit Original-Beiträgen der hervorragendsten Schriftsteller und Gelehrten. Bd. 12.

Hiſtoriſcher Roman von L. Haidheim. 97

ſto, an dem Knospen ſaßen. Der Duft des Goldlacks erfüllte die kleine niedere Stube, und die alten Stühle, der große Schrank und die Truhe, ſchön geſ<nißt und mit funſtvollen Schlöſſern und Eiſenklammern verziert, blinkten und glänzten vor Sauberkeit. Von Utſula's Erſparniſſen vor Jahren gekauft, denn eigenen Hausrath zu haben war ihr lange ‘ein lieber Wunſch geweſen, machte dieſes dunkle Eichenholz, woraus ſie gefertigt waren, Urſula's hohen Stolz aus. Sie lächelte freudig, wenn ſie ſah, daß Burkard Kellex ſi bei ihr wohl fühlte.

„Erzählt mix etwas, Urſula, plaudert ein wenig, ih höre Eure Stimme gern und weiß, daß Jhr es treu mit mix meint,“ ſagte ex müde und niedergeſchlagen.

„Jh habe Euch früher einmal verſprochen, Euch zu zeigen, was ih in der Truhe dort habe, Herr Burkard, und die Klatſhmäuler auf der Burg ſagen, ih hätte es {hon längſt gethan und lehrte Euch hier die Zauberei. Doch darüber lache ih; mich freut, was ih aufbewahrt habe, und wollt Fhr's heute ſehen, ſo ſoll’s mix gar lieb ſein; denn mix iſt juſt darnach zu Muthe, meine Schäße auszukramen,“ war ihre Antwort.

Ex nite ſeine Zuſtimmung; die Shähße machten ihn nicht neugierig, aber es verlangte ihn, irgendwie durch Urſula’s Geplauder zerſtreut zu werden.

Sie zog die Truhe mit einiger Mühe neben ſeinen Seſſel, ſchob ſi einen Stuhl herbei, holte aus verſchloſſe= ner Spinde einen alten Schlüſſel, deſſen kunſtvolle Arbeit ſie ihm ſtolz zeigte, und dann ſ{loß ſie mit ganz feierlichen Mienen auf.

Bibliothek. Jahrg. 1886. Bd. XIX, 7