Bibliothek der Unterhaltung und des Wissens : mit Original-Beiträgen der hervorragendsten Schriftsteller und Gelehrten. Bd. 12.

Hiſtoriſcher Roman von L. Haidheim. 111

Gerechtigkeit niht verſagte, machte ihn ganz ruhig und far. Ex hätte ſih an den Bruder klammern mögen, wie ein Kind an die Hand der Mutter, und ſo ſtolz und be= fehlexiſh er auch gegen Alle ſich gezeigt hatte, ſo demüthig war ihm jeßt um's Herz. Seine Sache lag ungünſtig genug für ihn, aber vollendet ſollte ſie werden.

Ex ſchi>te Urſula, ihm bei der Markgräfin für heuteUrlaub zu erwirken, der auch ohne Zögern bewilligt wurde.

Gleich darauf begaben ſih die Brüder auf den Weg, Burkard froh, daß ihm Kordula nicht begegnete und ihr Anbli>, ihre lo>Xenden Augen ihn niht von ſeinem Ent= \{luß abwendig machen konnten.

Von der Burg bog der Weg nah Kuppenheim rechts ab. Dur den Tannenwald ging's eine Stre>e bergab= wärts, dann kam ein Stü> junger Buchen und zwiſchen ihnen hart am Wege ſtanden neun im Kreiſe gepflanzte uralte Linden, wo eine Steinbank zum Ausruhen einlud, denn diefen Weg wandelten die Markgräfin und ihre Fräu= lein mit Vorliebe zur Sommerzeit, wenn es ihnen in dex Burg zu enge wurde.

Als ſie vorüber gingen, dachte Burkard Keller auh flüchtig an Uxſula's Erzählung von dex gefundenen Schale; mitten in dem Kreiſe der Linden ſtand er aber plößlih ſtill wie angewurzelt und dann ſchüttelte er ſih und ſchritt weiter.

„Was iſt Dir?“ fragte ſein Bruder.

„Nichts Beſonderes, mix lief nur ſo ein kalter Schau= der über den Leib,“ ſagte der Andere, „es iſt kühl dort unter den Bäumen.“