Bibliothek der Unterhaltung und des Wissens : mit Original-Beiträgen der hervorragendsten Schriftsteller und Gelehrten. Bd. 2.
Roman von Georg Hartwig. 27
Dreyſing dagegen unterhielt ſeine geſchwäßige Nach= barin, die Bürgermeiſterin, niht ſo lebhaft, wie diefe gewünſcht. Miekchen erfaßte nämlich die gute Gelegen= heit, ihr Gift gegen den Hausfreund der anmaßenden und foketten Amtsrichterin auszuſprißen, und berithrte hiebei Empfindungen, welche dem alten Herrn ſelbſt bei Freiberg's Erſcheinen ſehr bedrückend aufgeſtiegen waren. Weshalb hatte der Graf ihm ſein Vorhaben fo ängſtlich verſchwiegen ? Handelte er mit der jungen, unilberlegten Frau im Ein= verſtändniß? Und bewegte ſih Meiſchis Unzufriedenheit auf der Baſis eines berechtigten Mißtrauens?
“Miekchen raunte ihrem Gatten jubelnd in's Ohr: „Es iſt rihtig, ih hab's getroffen! Dreyſing iſt verwirrt! Morgen gebe ih daraufhin einen Damenkaffee!“
Snzwiſchen genoſſen Jrma und Freiberg den Reiz des ungeſtörten Beiſammenſeins in vollen Zügen. Wie ſie ſeeliſ< getrennt von der Geſellſchaft waren dur< 1hren idealen Geiſtesflug, ſo eilten ſie au< räumlich allen Uebri= gen um ein Beträchtliches voraus, immer zwiſchen ſtarren= den, eisfunkelnden Bäumen dahin.
Nicht lange mehr und von der Höhe des Weges blickte Srma hinunter auf das friedlich ſhweigſame Dorf Kron= thal. Zur Rechten erhob fſih das ſtattliche Herrenhaus, ein ſ<hloßautiges Gebäude, von deſſen Thurm eine Flagge ihr heiteres Willkommen entgegen winkte. Durch das dunkle Tannengrün einer Chrenpforte lenkte Freiberg ſein dampfendes Geſpann die Auffahrt hinan. Der Schlitten ſtand.