Bibliothek der Unterhaltung und des Wissens : mit Original-Beiträgen der hervorragendsten Schriftsteller und Gelehrten. Bd. 3.

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Meline lachte laut auf.

„Mama, Mama, Du ſchlägſt Dich ja ſelbſt! Wenn Du nux einmal vernünftig werden wollteſt! Das Ein= fachſte iſt immer das Schönſte, merke Dix das! Jch möchte nicht eine einzige Schleife mehr an meinem Kleide haben, hingegen Du, Mama — das iſt entſchieden zu überladen! Dieſe gepubte Robe paßt nicht für ein Souper zu drei Perſonen, beſonders na< den Anſtrengungen einer zehn= ſtündigen Reiſe. Nein, nein, Mama, keinen Widerſpruch, Du mußt ein anderes Kleid anziehen, ih will für Dich wählen.“

Sie trat an den großen, ſchon halb ausgeräumten NReiſekoſfer und nahm ein einfaches, dunkelgraues Seiden= Éleid heraus.

„So, das ziehſt Du an, Mama, ih will Dix helfen. Du ſollſt Dix nicht gleih am erſten Tage eine Geſhma>loſigkeit zu ſchulden kommen laſſen.“

Die Generalin hatte jeden Widerſtand aufgegeben und ließ nun xreſignirt Alles mit ſich machen. Jhre ſchöne Tochter hatte ſie von jeher in allen Dingen beherrſcht, und die nichts weniger als geiſtreiche Frau fügle ſich meiſt ohne Widerrede den Wünſchen Melinens, die mit einem Gemiſh von Mitleid und Nichtahtung auf die ſchwache Frau herabſah.

Jn den meiſten Fällen iſt es ein ſehr trauriges Ver= hältniß, wenn die Kinder eine beſſere Erziehung genoſſen haben, als ihre Eltern, ſo war es auch hier.

Meline war in einem beſtrenommirten Jnſtitute ev= zogen worden, ſie verſtand es, ſih in den größten Geſell=