Bibliothek der Unterhaltung und des Wissens : mit Original-Beiträgen der hervorragendsten Schriftsteller und Gelehrten. Bd. 3.

Novelle von C. Wild. 121

Sag” einmal aufrichtig, ob Du ſo nit vortheilhaſter aus= ſiehſt, als in dieſem Chaos von Schleifen und Spiben, mit denen Du Dich ſo gerne behängſt.“

„Was bleibt mix Anderes übrig,“ ſprach die Generalin unwirſch, denn Melinens lehte Bemerkung hatte ſie ver= leßt. „Du ſeßeſt ja immer Deinen Willen dur< — da heißt es eben dulden und ſchweigen.“

Meſline wandte ſi< achſelzu&end ab. „Wir wollen jet hinabgehen,“ ſagte fie; „es iſt aht Uhr und Rohnegg wird uns exwarten. Du weißt, ex hat uns zu Liebe das Souper früher befohlen.“

„Da können wir uns zeitig zurücßziehen,“ meinte die Eeneralin mit einem Seufzer dex Erleichterung.

„Ja! Abex ſchlafe nux nicht etwa ſhon beim Eſſen ein, und ih bitte Di, Mama, ſprich ſo wenig als möglich, das wird auf Couſin Norbert den beſten Eindru> machen.“

„Meline, Lu nimmſt Dix denn doch zu viel heraus,“ ſagte die Generalin mit einem Anſtrich verleßter Würde, indem ſie ihrer Tochter einen ſtrafenden Blick zuwarf, der [eider ſeine Wirkung gänzlich verfehlte, denn Meline verz zog ſpöttiſch die Lippen, ohne eine Antwort zu geben.

Die beiden Damen verließen das Zimmex und ſchritten langſam die teppichbelegte Treppe hinab. An der lebten Stufe trat ihnen ſ{hon der Herr des Hauſes entgegen. Offenbar hatte er die Damen ſeit längerer Zeit in der Halle erwartet.

Meline lächelte; dieſe Aufmerkſamkeit galt ihr als der beſte Beweis, daß Rohnegg gegen ihre Schönheit nicht unempfindlich geblieben wax.