Bibliothek der Unterhaltung und des Wissens : mit Original-Beiträgen der hervorragendsten Schriftsteller und Gelehrten. Bd. 3.

Novelle von C. Wild 125

Droben in ihren Zimmern — den Damen waren zwei Schlafzimmer und ein kleiner Salon zur Verfügung gez ſtellt worden — bekam die gute Dame von ihrer Tochter no< eine Strafpredigt zu hören, welche ſie ziemli<h de= müthig entgegennahm. Ja, ès war durchaus nicht fein, erſt für Drei zu eſſen und dann einzuſchlafen, ſtatt mit Würde als Repräſentantin bei Tafel den Vorſiß zu führen.

2.

Friſch und ſ{<hön wie nur je trat Melines am nächſten Morgen ihrem Couſin entgegen.

Mit neuem Entzücken betrachtete Rohnegg dieſes lieb= reizende Weſen, das die Natur mit ſo auserleſenen Gaben überſchüttet hatte.

Mit holdem Lächeln, mit glo>enheller Stimme begrüßte ihn Meline; ſie hatte ſi<h no< ſpät am Abend ihren Feld= zugsplan entworfen, den ſie mit Konſequenz durchzuführen gedachte.

Die Generalin ſchwebte in einer Duſtwolfe des ſtärkſten Parfüms und ſah ſehr heiter und zufrieden aus. Sie lächelte ihrem Neffen gnädig zu und war ſehr erfreut, als ex ihre fleine, ſorgfältig gepflegte Hand heute wieder an ſeine Lippen drückte.

„Ein vollkommener Gentleman,“ hatte ſie no< geſtern Abend ihrex Tochter verſichert. „Jh bin überzeugt, daß wir mit ihm ſehr gut ausfommen werden.“

„Ja, dux< meine Jntervention, “ war Melinens ſelbſt= bewußte Antwort geweſen, und als ſie ihm nun roſig, ſriſ< und blühend glei<h einer halberſchloſſenen Roſen=