Bibliothek der Unterhaltung und des Wissens : mit Original-Beiträgen der hervorragendsten Schriftsteller und Gelehrten. Bd. 3.

132 Jn lehter Stunde.

Sie eiferte ihre Mutter an, in dem Haushalte nahzuſehen, der übrigens von einer erfahrenen Haushälterin auf's Beſte geleitet wurde; ja, ſie ſcheute ſich ſogar nicht, zuweilen in den Hühnerhof zu gehen und der buntbefieder-= ten Schaar ihr Futter vorzuwerfen.

Und wie reizend ſie dabei ausſah, wenn ſie in den weißen, mit himmelblauen Schleifen geſhmü>ten Morgenkleide daſtand, mit ihrer zarten weißen Hand die goldigen Körner ſtreuend.

„Eine Jdylle comme il faut,“ pflegte ſie nah ſolhen Hühnerhofexkuxſionen mit bitterer Selbſtironie zu ihrer Mutter zu ſagen, und die nah allen möglichen Wohl= gerüchen duftende Dame faltete dann mit einer theatra= liſhen Geberde die Hände und rief mit ungeheuchelter Bewunderung: „Wahrhaftig, Meline, Du fannſt Alles, Alles, was Du willſt !“

: „Nux nicht den Mann heixathen, den mein Herz be=

gehrt,“ dachte die Tochter dann bei ſi, während ſich ihre Stirne in Falten zog, und ihre Augen düſtere Bliße ſchoſſen.

Ja, das war es, was ſie oft kalt und gleichgiltig gegen die immer näher fommende Crfüllung ihrer Pläne machte. Sie liebte den Baron Feldheim, und ſie wußte, daß auch ſie ihm nicht gleichgiltig war; aber was ſollte davaus werden ?

Sie wax arm, und er über und über in Schulden; das Einzige, was ihm noh Kredit verſchaſſte, war die reiche Braut.

Kein Menſch würde ihm längſt mehr einen Heller ge=