Bibliothek der Unterhaltung und des Wissens : mit Original-Beiträgen der hervorragendsten Schriftsteller und Gelehrten. Bd. 3.

136 Jn letter Stunde.

Acht Tage nah dem Verlobungsfeſte traf aus Venedig die Nachricht ein, daß Ada?s Tante geſtorben ſei, und ds junge Mädchen bat den Vormund, ſich ihrer anzunehn/en, da ſie nun ganz allein auf ſi< angewieſen ſei.

Rohnegg reiste ſofort ab, um ſi< zu ſeiner Mändel zu begeben, und Baron Feldheim ſandte dem jungen Mäd= chen ein vier Seiten langes Kondolenzſchreiben, das in den zärtlichſten Ausdrü>ken abgefaßt war. :

Meline fah den Baron nun täglich; Rohnegg hatte ihn gebeten, ſich der Damen ein wenig anzunehmen , und der Baron kam dieſem Auftrage gewiſſenhaft nach.

Jeßt konnten ſie einander ungeſtört ſehen und ſprechen, denn die Generalin zählte für nichts.

Die beſchränkte Frau merkte auh gar nichts von dem Liebesdrama, welches ſich unter ihren Augen abſpielle, und felbſt wenn ſie die Wahrheit erkannt hätie, ſo war ſie eine viel zu ſchwache Mutter, um ihrer pflichtvergeſſenen Tochter energiſch entgegentreten zu können.

Meline genoß ihre kurze Freiheit mit vollen Zügen ; Rohnegg hatte geſchrieben, daß Ada mit ihm heimkehren würde, um auf ihrem Gute zu wohnen, für eine paſſende Geſellſchaftèdame hatte ex ſchon geſorgt, und mit Zähne= knirſchen dachte die leidenſchaftlich erregte Meline daran, daß dieſes Mädchen den geliebten Mann daun vollſtändig für ſi< in Anſpxuch nehmen würde.

Sie ſprach dieſe Anſicht Feldheim gegenüber aus, allein dieſer erwiederte zuverſichtlich: „Sie täuſchen ſich, theuxe Meline. Ada Hellbrunn iſt ein kaltes Mädchen von ernſtem, abſtoßendem Benehmen. Sie Hat auch nie verlangt, daß