Bibliothek der Unterhaltung und des Wissens : mit Original-Beiträgen der hervorragendsten Schriftsteller und Gelehrten. Bd. 3.

140 Jn lebter Stunde.

Liebe und Klugheit ſtritten mit einander um den Sieg, und ſie, die ſonſt ſo kühl Berechnende, konnte mit << nicht einig werden.

„Meline ,“ ſagte der Baron mit weicher Stimme, „wenn i bleibe, ſeßen wix Beide Alles auf eine Karte, aber ſei es drum! Laſſ” uns die Frucht verbotener Selig= keit genießen, ſo lange es eben geht, komm? an mein Herz, fomm? in meine Arme, der Moment iſt unſer, Meline fomm?’!“

Er breitete ſeine Arme aus, und bebend, ergliühend ſank ſie ihm an die Bruſt.

„Sei es drum,“ wiederholte ſie, als er ſie feſt an ſich preßte, und ſeine heißen Lippen verlangend die ihren ſuchten.

Fn dieſem erſten, langen, ſeligen Kuſſe vergaßen ſie die ganze Außenwelt, ſi ſelbſt, und exſt eine Bewegung, welche die ſchlafende Generalin machte, brachte ſie wieder zu ſich.

Meline wand ſi<h aus den Armen des Barons und trat zu. ihrer Mutter. Der Genexalin war das Buch entfallen, ohne daß ſie darum aufgewacht wäre. Meſline neigte ſich über ſie und we>te ſie, die Generalin ſ{<lug etivas verwundert die Augen auf.

— Deine Lektüre muß Dich ſehr intereſſixt haben,” ſagte Meline ſpöttiſ<h. „Seit wann gehört es zum guten Ton, beim Leſen einzuſchlafen?“

Die Generalin brachie ihr parfümixtes Taſchentuch an die Lippen, um ein herzhaftes Gähnen zu verbergen.

„Ich hatte Kopfſchmerz, “ murmelte ſie beſchämt, „meine Nerven ſind nicht die beſten, das weißt Du doch, Meſline.“