Bibliothek der Unterhaltung und des Wissens : mit Original-Beiträgen der hervorragendsten Schriftsteller und Gelehrten. Bd. 3.

146 Jn letter Stunde.

fommen en. Mit einem Herzen voll Trauer kommt man nicht gern zu einem fröhlichen Feſte.“

„Gewiß,“ verſeßte Meline gleichgiltig, „Fräulein Hell= brunn ſcheint ihre Tante ſehr geliebt zu haben.“

„Das hat ſie,“ verſehte Rohnegg, plößlih in Cifer gerathend. „So finſter und verſchloſſen das Mädchen auh erſcheint , ſie hat ein Herz ſo treu und rein, wie man es wohl ſelten finden wird.“ 1

Ex bra<h ab; Melinens ſpöttiſcher Bli> brachte ihn zur Wirklichkeit zurü>. Die junge Dame hatte ſich jeßt halb von ihm abgewendet und ſah wieder in den Park hinab, eine peinliche Pauſe war eingetreten.

Endlich ermannte ſich Rohnegg. „Jch muß fort,“ ſagte er mit leiſer Stimme, „ih werde lrachten, fo bald als möglich zurü> zu ſein.“

„O, beeile Dich nicht,“ entgegnete Meline kühl; „ih habe Kopfſchmerz und würde heute ohnehin feine angenehme Geſellſchafterin für Dich abgeben.“

Sie bot ihm die kleine, ſhmale Hand, die er an ſeine Lippen zog, um einen leiſen, flüchtigen Kuß auf dieſelbe zu hauchei. Meline fühlte no<, wie ein heißer Athem für einen Moment ihre Stirn berührte, ſie hatte die Augen geſchloſſen, wie um nichts ſehen zu müſſen. Als ſie die= ſelben wieder öffnete, ſtand ſie allein am Fenſter, Norbert halte ſie verlaſſen. ‘

Ein furzes, ſcharfes Lachen rang ſich von ihren roſigen Lippen. „Der Thor,“ murmelte ſie; „was fümmert’s mid, ob er jenes Mädchen liebt odex niht, wenn ich nur ſeine Frau werde !“