Bibliothek der Unterhaltung und des Wissens : mit Original-Beiträgen der hervorragendsten Schriftsteller und Gelehrten. Bd. 3.

Novelle von C. Wild. z 1055)

Als Mädchen hatte ſie ſich ſo einfa als möglich ge= fleidet, weil foſtbare Stoffe ihr unerreichbar waren , und fie es verſhmähte, zu jener übertriebenen, auf Täuſchung berechneten Eleganz zu greifen, wie ihre Mutter dieſelbe ſtets ſo ſehr geliebt hatte.

Jebt, als reiche Frau wollte ſie das Verſäumte nachz zuholen trachten, und wenn ſie ſih ſhon ohne Liebe hin= gab, ſo wollte ſie genießen, genießen mit vollen Zügen den Reichthum, den ſie ſi< dur< ihre Schönheit errungen hatte.

Mit feſter Stimme ſprach ſie das bindende „Ja“, während dasjenige Norbert's faſt zögernd klang.

Mit lieblichem Lächeln auf den Lippen nahm ſie dann die Glückwünſche entgegen; ſie ſah ſo glüdli<h, ſo heiter aus, daß Rohnegg tiefe Gewiſſensbiſſe fühlte und bei ſich ſelbſt no<hmals gelobte, ſie nie empfinden zu laſſen, daß ſeine Liebe für ſie geſ<wunden ſei.

Die Generalin befand ſi<h in äußerſt gehobener Stim= mung. Jn ihrem {weren Brokatkleide mit koſtbaren Spißen verziert rauſchte fie mit vieler Würde einher. Sie * litt heute niht an ihren Nerven und hatte für Jeden ein ſieben8würdiges Lächeln bereit; war doch das große Ziel erreicht und ihre Tochter eine reiche Frau geworden.

Nach der Tafel wurde in dem großen Saale getanzt, und Meline genoß no< einige «Stunden hindux< den Triumph, die Schönſte unter allen Schönen zu ſein.

Noch athemlos von einem raſchen Tanze ſtand ſie an Feldheim's Seite in einer Fenſterniſche.

Der Baron hatte ihre Hand erfaßt und flüſterte ihr