Bibliothek der Unterhaltung und des Wissens : mit Original-Beiträgen der hervorragendsten Schriftsteller und Gelehrten. Bd. 3.

164 Jn lebler Stunde.

Sie war rei, ſehr rei, und hatte nie die materielle Sorge des Lebens kennen gelernt, fie brauchte nux zu wollen, um jeden ihrer Wünſche erfüllt zu ſehen jeden ?

Ein tiefer Shmexrzenszug grub fſi in ihr bleiches Geſicht.

„Reichthum macht nicht glü>lich,“ ſagte ſie leiſe vor fi hin, ohne den Thränen zu wehren, die ihre langen Wimpern nebten. „Jh bin es niht — und er iſt es auh niht. J< ſah ihn in den leßten Tagen ſtets ſo blei, ſo düſter; der Beſiy der geliebten Frau hat ihm nicht das gehoffte Glü> gebracht !“

Das Herz wurde ihr mit einem Male wieder ſo un= endlih ſchwer; wenn ſie ſich auch ſagte, wie nöthig es ſei, eine neue, unüberſteigliche Schranke zwiſchen ſi und den heimlich geliebten Mann zu bringen, ſo fühlte ſie do< auch die ganze Größe des Opfers, das ſie dem An-= denken ihres Vaters brachte.

Dex alte Herr Hellbrunn war ein Sonderling ge= weſen, der es nie geſtattet haben würde, daß ſeine Tochter vor ihrem vierundzwanzigſten Jahre ſi<h vermählte, denn erſt dann, ſagte ex, ſei ein Mädchen verſtändig genug, um ihre Pflichten als Gattin völlig zu erkennen. Dieſe Laune ihres Vaters hatte ihr wenigſtens eine Spanne Zeit noch ihre Freiheit gewahrt, aber jebt war der Texmin zu Ende und ſie mußte ſich fügen.

Sie faltete die kleinen Hände wie zum Gebete, und blieb no< einige Augenbli>e ſtille ſtehen; dann richtete