Bibliothek der Unterhaltung und des Wissens : mit Original-Beiträgen der hervorragendsten Schriftsteller und Gelehrten. Bd. 3.

166 Jn lebter Stunde.

8.

Auf Schloß Rohnegg hatte es. zwei Tage vorher zwi= ſchen Norbert und Meline eine heftige Scene gegeben.

Dex ſonſt ſo nachſi<htige Mann wax energiſ<h auf= getreten und hatte der zornbebenden Meline erklärt, daß er ein derartiges Benehmen ihrerſeits nicht länger dulden werde.

Wenn ex ſchon nicht im Stande ſei, ihr Liebe einzu= flößen, ſo fordere er doh von ſeiner Gattin Achtung für den Namen, den er ihr gegeben, und ſollte ſich ſeine Ver= muthung beſtätigen, ſo würde er gezwungen ſein, unnach= ſichtlich vorzugehen.

Die ſchöne Frau war bei dieſer Drohung dennoch ev= blaßt. Sie hatte es ja einmal felbſt geſagt, daß dieſe ſogenannten guten Menſchen, wenn in Zorn gebracht, eben ſo ſtrenge ſeien, als ſie früher nac<hſihtig geweſen waren.

‘Troß ihrex Selbſtbeherrſhung erbebte ſie ſichtlich, als ſie dieſe blauen Augen ernſt und finſter auf ſich gerichtet ſah. Dieſer Mann wäre fähig geweſen, ſie fammkt ihrer Mutter ſofort aus dem Hauſe zu jagen, wenn ev die ganze Wahrheit gewußt hätte.

Sie fühlte ihren Muth ſchwinden unter feinen zorn= funkelnden Bli>en, - und ſcheu und unſicher ſah ſie an ihm vorüber.

„Dein Verdacht iſt eine Beleidigung für mich,” ſagte fie, bemüht, ihrer Stimme einen feſten Klang zu geben; „prüfe, ehe Du ſo ungerecht beſchuldigſt.“

„Das will i< au<, und wehe Dir, wenn meine Ahnung mich nicht getäuſcht hat.“

Meline hob den ſ<önen Kopf trobig höher.