Bibliothek der Unterhaltung und des Wissens : mit Original-Beiträgen der hervorragendsten Schriftsteller und Gelehrten. Bd. 3.

Novelle von C. Wild. 167

„In dex That, Du haſt gutes Recht, mir zu drohen,“ verſeßte ſie höhnend; „ſieh" in Dein eigenes Herz und frage Dich, ob Du Dix nichts vorzuwerfen haſt.“

Neber Rohnegg's Geſicht flog eine tiefe Bläſſe.

„J<h habe meine Pflichten gegen Dich niemals verlebt,“ murmelte ex mit dumpfer Stimme.

„Nicht?“ rief Meline mit blißenden Augen. „Haſt Du mich nict zu Deiner Gattin gemacht mit dem Bilde einer Anderen im Herzen? Haſt Du nicht Lag und Nacht an dieſe Andere gedacht und mi<h mit den Broſamen einer Zärtlichkeit abgefüttert, die eigentli<h für ſie bez ſtimmt geweſen ſind? Was haſt Du denn gethan, um Dir meine Liebe, meine Treue zu erhalten? Nichts, nichts! Wie ein Automat biſt Du neben mix hergegangen, immer nux in Gedanken an die Eine, die ih vom exſten Moment an haßte und immex haſſen werde.“

„Meline!“ rief Rohnegg, erſchre>t vor dem wilden Ausdructe, dex ihr ſchönes Geſicht verzerrte.

„Ja, ja, ih haſſe ſie, dieſe Heuchlerin mit ihrer ern= ſten, vornehmen Miene — ih — ih könnte ſie vernihz ten — und Dich mit ihr — denn Jhr Beide habt mix mein Glücé geſtohlen.“

Sie hatte die lehten Worte in kurzen Abſäßen und faſt ſchreiend hervorgeſtoßen. Jebt mit einem Male ſto>te ihr Athem, ihre Lippen färbten ſich bläulich, die großen ſchönen Augen nahmen einen ſtieren Ausdru> an und mit einem dumpfen Röcheln ſank ſie rü>lings zu Boden.

Rohnegg hob ſie auf und rief um Hilfe; ein fur<tz barer Nervenkrampf hatte die junge Frau erfaßt.