Bibliothek der Unterhaltung und des Wissens : mit Original-Beiträgen der hervorragendsten Schriftsteller und Gelehrten. Bd. 4.
110 Dex Talisman des Weibes.
keiten und Bemühungen gegenüber blieb ſie gleichgiltig, ja, es würde thr augenſcheinlich ſogar lieber geweſen ſein, unbeachtet im Bett verweilen zu können, nux um niht an ihr Elend erinnert zu werden.
Dann gab es wohl Momente, wo Tante Käthe auf= ſeufzte und an ihrem edlen Rettungëwerk verzweifeln wollte, aber der Mahnruf : „Vor Dix bin ih nicht geflohen, ſon=dern vor Tante Käthe!“ ſtachelte ihre Seelenſtärke immer von Neuem an, wie auch. der Kontraſt zwiſchen dem Einſt und Jebt, den Dreyſing ihr geſchildert, das weibliche Mit= gefühl mit der Hartgeſtraften nicht erlöſchen Üieß.
So tax der Mäxz verſtrichen, fo verſtrich der April, und als es Mai wurde und noh keinerlei Beſſerung ſich zeigen wollte, da exfaßte Kleinmuth_ das ſtarke Herz der Stiftsdame. Wenn es ſo blieb, was war das Ende?
Von Meiſchi> trafen Briefe ein, Berichte über das Wachsthum des Kleinen, aber nux ſo lange von ihm die - Rede wax, malte ſi innere Zufriedenheit in den Wor= ten des Schreibenden. Alles Uebrige trug eine reſignirte, oft bittere Färbung, woraus Tante Käthe entnahm, daß ihr Neffe Jrmengard's Schickſal exfahren und nur aus Rückſicht auf den exlittenen Verluſt es ihr nicht mitzu=theilen wagte. Seine Anfrage endlich, ob ſie etwas Näheres jibex den Verbleib Dreyſing's gehört, beſtätigte Tante Käthe das Gelingen ihres Planes ebenſo ſehr, als ſie thr Meiſchi&?s ruheloſe Sorge und Theilnahme für ſein einſtiges ungliü&lihes Weib verrieth.
Die Stiftsdame blickte gedankenvoll auf dieſes ſoeben erhaltene Schreiben nieder, als ein zitternder Ton von