Bibliothek der Unterhaltung und des Wissens : mit Original-Beiträgen der hervorragendsten Schriftsteller und Gelehrten. Bd. 4.
Roman von Georg Hartwig. E
Irmengard’s Lippen ihre Aufmerkſamkeit auf ſi<h zog„Wünſchen Sie etwas?“ fragte ſie, ſogleih an die Seite der jungen Frau tretend.
„Nein,“ murmelte Frmengard, ihr Antliß in den Hänz den vergrabend.
„Sie leiden? Gewiß, Sie leiden!“ Die hohe Geſtalt dex Stift2dame, Meiſchi>’s Brief noh in der Hand hal= tend, beugte ſi<h zu der Blinden nieder. „Wer ſo ſeufzt, wie Sie es eben thaten, trägt immer ſchweres Leid. Wollen Sie nicht einmal den Verſuch machen, Jhr bedrücktes Herz, wenn au< nur dur< eine Thräne, zu entlaſten ?“
„Thränen?“ rief Jrmengard bitter, „Thränen? Seit jener Unglüc8nacht, die mein Augenlicht verſchlang, ſind die Tropfen verſiegt. Es iſt Alles leer hier, Heiß und troéen. Thränen? Jh habe ſie geweint, bis ih glaubte, ihr glühender Strom müſſe mix die Bruſt zerſprengen; es wären ihrer genug geweſen, mein elendes Daſein zu ex=ſtillen. Hätte ih ſie no< einmal zurü> die Stunden, in welchen ſie ſo nußlos floſſen — o, hätte ich ſie no< einmal zurüd>!“
Zante Käthe unterbra<h ſie mit feinem Wort. Jhr ward zur Muth, als ſchimmerten die erſten Sonnenſtrahlen hinter finſterem Gewölf hervor. „Was würden Sie unter= nommen haben?“ fragte ſie endlich ruhig, als Jrmengard ſchivieg.
„Das will i< Jhnen ſagen,“ flüſterte die junge Frau, Zante Käthe’s aufgeſtüßten Arm umſpannend. „Es gibt einen Mann auf dieſer Erde, den das Geſchick zu meinem Verderber exſehen hat. Kein Schmexz,. keine Thräne, kein