Bibliothek der Unterhaltung und des Wissens : mit Original-Beiträgen der hervorragendsten Schriftsteller und Gelehrten. Bd. 4.

144 Wegen Meineids.

zum Augenarzte gehen. Elſe halte ſich deshalb bis elf Uhr Morgens Urlaub evbeten, um die Muttex zu beglei= ten, und dieſe war noh in der Kammer beſchäftigt, ſich anzuziehen, als Clſe von der Küche aus einen Gericht8= boten eintreten- ſah. :

„Wohnt hier ein Fräulein Mühlbrandkt, Elſe mit Namen?“ fragte derſelbe ſie und ſah ſie dabei ſo ſonderbar an. Sie wußte nicht, was die Uniform bedeutete,

„Die bin ih!“ «hatte ſie geantwortet und dabei wurde ihr unter des Menſchen ſeltſam forſhendem Bli> ganz unheimlich.

„Es iſt doch fein Ungliï> paſſirt? Mein Bruder — ? Ein Telegramm?“ Sie fragte athemlos vor Herzklopfen und wußte doh nicht warum; es lag wie eine furchtbare Angſt plößlich auf ihr.

„Nein, eine Vorladung,“ ſagte der Mann. „Und Sie müſſen mix dieſelbe mit Fhrer Unterſchrift beſcheinigen.“

„Cine Vorladung?“

Ex hatte ihr ein Blatt Papier hingereicht, ſie es ge= öffnet und hineingeſehen. Dann wurde plößlich der Aus8= druck ihrer Zilge ein ganz anderer.

„Was — was bedeutet das?“

Sie taumelte förmlich zurü> gegen den Thiüxpfoſten der Küche. Wieder ſah der Mann ſie forſchend an, aber nach einigen Sekunden wurden ſeine Züge weicher und ſo= gar mitleidig.

„Es iſt ja noch nicht geſagt, ‘daß Sie's gethan haben, Fräulein, Hier ſteht ja nur „verantworten“, Sie ſollen nux vernommen werden.“