Bibliothek der Unterhaltung und des Wissens : mit Original-Beiträgen der hervorragendsten Schriftsteller und Gelehrten. Bd. 4.

Novelle von L. Haidheim. 145

„Dh? Jh, eine Diebin? Vor Gericht ſoll ih?“ Ein Schrei war es, ſie exſchrak ſelbſt davor und ſah angſtvoll nah dex Stubenthüre, ob ihn die Multer auch nicht gez hört habe. „Mein Gott! Himmliſcher Vater, hilf mix! S<h bin ja ganz unſchuldig!“ betete ſie faſt laut und hob die in einander gerungenen Hände wie in TodeZangſt zum Himmel.

„Beruhigen Sie ſi<h doh nux erſt, Fräulein, Sie kön= nen es ja ſagen, ie es iſt; du liebe Zeit, wir verurtheilen niht Jeden, den ſie uns bringen. Sie werden wohl frei fommen ,“ tröſtete ſie der würdige Diener des Gerichts.

Wieder ſchrie ſie auf. Todtenbläſſe im Geſicht ſah ſie umßhex, als träume ſie, als ringe ſie angſtvoll, aus dieſer entſeblichen Phantaſie zu erwachen.

„Kun müſſen Sie hier Jhren Namen hinſchreiben; da iſt ein Bleiſtift — ſo! Und wenn Sie nun nicht wiſſen, was Sie thun ſollen, ſo gehen Sie zu einem Advokaten; kommen müſſen Sie, hören Sie wohl, ſonſt kriegen Sie no< mehr Strafe.“

„Noch mehr? Werde ih denn beſtraft? J<h — ih O mein Gott, mein Gott |“

Sie hatte mit bebenden Händen ihren Namen gekrißelt, wie der Bote verlangte. Dann war ſie auf einen Küchen-= ſtuhl geſunken , ein Vild des Jammers.

„Na, Fräulein, es wird nichts ſo heiß gegeſſen, ‘vie es geko<ht wird. Wenn ih Jhnen rathen ſoll, ſo ſagen Sie fein Wort und machen nicht ſelbſt Geſchrei über die Sache. Es wird wohl an den Tag kommen. Haben Sie ſich doch uux niht ſo!“

Bibliothek. Jahrg. 1886. Bè, TY, 10