Bibliothek der Unterhaltung und des Wissens : mit Original-Beiträgen der hervorragendsten Schriftsteller und Gelehrten. Bd. 4.

148 Wegen Meineids.

Sie war blaß, aber ruhig. Ju vielen ſchlafloſen Nächten hat ſie ſi überdacht, was ſie jagen wollte und mußte, und daß thre Sache fo einfach, ſo flar wax, wie nux je eine dur< ſich felbſt ſiegte.

Die kleinen jämmerlichen Endchen Lie! Sie hatte ſie gezählt, es waren vierundzwanzig, davon waren neunzehn etiva einen Finger lang, die anderen no< kürzer. Wäre das ganze Lißenbändchen unzerſchnitten geweſen, ſo hätte es vielleicht eine Mark gekoſtet, in dieſe Theilchen aber zerlegt, war es unbrauchbar geworden. Die Sache war ſo einfach, ſo ſehr einfa<h. Kein Richter der Welt konnte ſie für ſchuldig halten. Wozu no< einen Advokaten fragen? Dex Gerichtsbote, der brave Menſch hatte Recht: nux ganz ſtillgeſchwiegen! Nux nicht ſelbſt ein Aufheben machen!

Bei ihrem Prinzipal heute unter irgend einem Vorwand Uxlaub zu bekommen, war nicht ſchwer geweſen, die Mutter “wußte von nichts.

Da klingelte es. Jhr Herz klopſte zum Zerfpringen, ſie trat ein.

Eine Viextelſtunde ſpäter war die ganze Sache beendet. Es war eine Bagatelle, kaum der Verhandlung werth; denno<h hatte ſi<h das Geſicht des Richtexs in immer ernſtere Falten gezogen, ſeine Augen heſteten ſi< mit immex größerer Theilnahme auf das junge Mädchen vor ihm. Sie hatte die Thatfache zugeſtanden; ſie nahm die Lißchen ohne Crlaubniß.

Das Urtheil war das denkbar mildeſte: ein Tag Ge= fänguiß.