Bibliothek der Unterhaltung und des Wissens : mit Original-Beiträgen der hervorragendsten Schriftsteller und Gelehrten. Bd. 4.

Novelle von L. Hatïdheim. 149

„És thut mix als Menſch wie als Richter leid, ſehr ſeid, Fräulein Mühlbrandt; aber ih kann niht anders! Herx ÎNeinert mag es vor ſeinem Gewiſſen verantworten, wa3 er da über Sie gebracht hat!“ ſagte bewegt der Amts= gerichtsrath und bli>te auf das marmorbleiche Mädchen, das wie von einem Blißſtrahl zu Boden geſchmettert auf die Kniee geſunken war.

Der alte Herr war lange nicht ſo erſchüttert geweſen, und es ſpielte ſi<h vor ihm doh niht allein viel menſch= liches Jrren und Fehlen, ſondern auh viel menſ{<hlicher Jammer ab. Ex verließ ſeinen Plaß, ging um den grünen Tiſch herum, öffnete die Barrière und trat zu der ganz Verztwveifelnden.

Auf dem Stuÿl, der für ſie dort hingeſeßt war. und neben dem ſie, nihts ſchend, nichts hörend lag, ſeßte ex ſich nieder, nahm ihre Hand und zwang ſie, ſih aufzuz richten: Sie folgte bewußtlos faſt dem Zwange.

Dann ſprach er ihr zu. Ex fühlte längſt, daß ein grimmiger Haß gegen das Mädchen den Kaufmann geleitet haben mußte. Aber ex hatte ſich doh in dem Molivy geirrt, jebt exfuhr er es. Sie ſagte ihm Alles. „Jh hatte nie gehofft — aber Ge.xg wollte mih niht laſſen. So mußte i<h unmögli<, zu einer Diebin gemacht werden!“

Dann gab er ſelbſt ihr Rath. Konnte ſie ihrer armen Mutter erſparen, dies Alles zu wiſſen, ſo war das wohl das Beſte. Mochte ſie einen Vorwand finden, für vier=z undzwanzig Stunden fort zu ſein; ihre Haft ſollte nicht ſ<wer werden. Je ſtiller man die Sache abmachte, um jo beſſer. Nein, ſie konnte ruhig ſein, kein Wort über