Bibliothek der Unterhaltung und des Wissens : mit Original-Beiträgen der hervorragendsten Schriftsteller und Gelehrten. Bd. 4.

154 Wegen Meineids.

Zwei Stunden ſpäter hielt eine Droſchke vor dem Wohnhauſe Reinert's, der Commis Friedrichs ſtieg, bez gleitet von einem Poliziſten, hinein. Herr Meier bezahlte die Droſchke, damit man den Collegen nur nicht der Schande ausfeße, thn bei hellem Lage als Dieb in's Ge= fängniß liefern zu ſehen. Herr Friedrichs hatte ſeine Schuld zum Theil eingeſtanden.

Für Elſe floſſen inzwiſchen die Tage ganz ruhig dahin. Sie halte ihre Strafe abgebüßt. Unter dem Vorwande, bei einer ſ<hwer kranken Freundin zu wachen, hatte die Mutter ſie beurlaubt, und da dieſe Nachtwachen ſchon öfter vorgekommen waren und ſich auch ſpäter wiederholten, bis die Unglü>liche dur den Tod erlöët wurde, ſo faßte die Paſtorin nicht den leiſeſten Argwohn. Nux daß Elſe jet immer ſo blaß und abgehärmt ausſah! Aber die Mutter dachte, es ſei beſſer, Elſe nie an Georg zu erinnern; ſie ſchwieg beharrlih und auch Elſe nannte ſeinen Namen nicht, ſelbſt als Beide längſt wußten, daß er in Bremen krank lag.

„Wie viel kann man ertragen, ohne zu ſterben!“ dachte Eſſe, als ſie, aus ihrer Haft entlaſſen, wie an allen Glie= dern zerſchlagen, nah Hauſe ſ{<li<.

Es war Abend, dunkles, regneriſches Wetter, ſie brauchte keine Sorge zu haben, daß man ſie aus dem Gefängniß fommen ſah. Jhr väterlicher Freund, der alte Gerichts=rath, holte fie ſelbſt daraus ab; er habe doch gerade dort zu thun gehabt, erklärte er ihr. Ach, wie dankte ſie ihm, wie rüd>ſichtsvoll hatte man ſie behandelt; tein Menſch hatte ſie kommen ſehen, keiner ſah ſie fortgehen, außer dem Schließer und dem Juſpektor.