Bibliothek der Unterhaltung und des Wissens : mit Original-Beiträgen der hervorragendsten Schriftsteller und Gelehrten. Bd. 4.

166 Wegen Meineids.

In ſih verſunken, als ob ſie die Tiefe des Abgrundes exgründen wolle, in den ſie geſtürzt, hatte die Angeklagte nicht einmal aufgebli>t. Jhr war dies Alles nux eine Folter, von deren Qualen ſie kaum no< Empfindung hatte, denn ſie war ja unrxettbax verloren, und die ſchon erlebten Verzweiflungsſtunden hatten ihr die Fähigkeit, noh mehr zu leiden, genommen.

Wie es kommen würde, wußte Elſe Mühlbrandt ſchon längſt. Sie war ein klar denkender, fluger Kopf; man hätte es ihr au< niht verhehlen dürfen; es kam genau ſo, wie Doktor Vogtner vorhergeſagt: ſie wurde des Mein= cids für ſ{huldig befunden und zur niederſten Strafe, die das Geſeß zuläßt, verurtheilt.

Elſe wurde niht ohnmächtig, niht einmal blaſſer als ſie wax, denn fie ſah ja ſchon vorher aus wie lebender Marmor. t

Ein allgemeines Mitleid folgte der Unglücklichen, als ihr Vertheidiger und ihr beklagenswerther Bruder ſie hin= wegführten.

Ein lautes Murren galt Reinert. Ex ſchien es niht zu hören, aber ex ſah entſeßli<h bleich aus.

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Sm Reinert’ ſchen Hauſe hatte ſich viel verändert, ganz abgeſehen davon, daß das Geſchäft in dieſem Jahre ſo ſ<le<t ging, wie noh nie.

Freilich trug der Herx Prinzipal vor ſeinen Commis und Fräuleins, wie vor der ganzen Welt, den Kopf ſo hoh wie je, freilich affektixte er das behagliche Lächeln,