Bibliothek der Unterhaltung und des Wissens : mit Original-Beiträgen der hervorragendsten Schriftsteller und Gelehrten. Bd. 4.
Roman von Georg Hartwig, : 77
Schauer über Rücken und Bruſt rinnen und ein ſeltſam beißendes Fröſteln in den Schläfen, aber es dünkte ihr erqui>liches Labſal na< der martervollen Gluth, welche fie bisher in fi geſpürt. Zu Fuß legte fie, angeſtrengten Laufes bald und bald in Gedanken verſunken ſtehen blei= bend, den Weg nah threr Wohnung zurü>. Die ſchnei= dende Kälte hatte ihre Wimpern mit Reif überzogen und den heißen Athem in gefrorenen Tropfen auf dem Sammet= fragen niedergeſchlagen.
Droben im Vorzimmer lag Suſanne ihrer harrend auf einem niedrigen Divan im feſten Schlaf. JFrmengard ging finſteren Blies vorüber; die ungetrübte Seelenruhe des Mädchens ſtand in zu grellem Kontraſt mit dem wühlenden Sturm, welcher ihre eigene Bruſt erſchütterte.
Unter der purpurrothen Ampel ihres Schlafgemaches blieb die junge Frau mit in einander gerungenen Händen ſtehen. Jhr Geiſt zermarterte ſich, die ganze Hoſſnungs= loſigkeit eines no< ſo langen, ſo unendli<h langen Lebens recht zu begreifen. Und daneben ſtrebten einzelne Gedanken dem ewig verlorenen Gatten nach, mit ſo raffinirter Selbſt= qual, daß die Unglückliche ſich von ſchadenfrohen Dämonen umringt glaubte. Sie ſah ihn in Margarethens Heim zurü>fehren, ſah, wie dieſe zärtlich verlangend die Arme ihm entgegenſtre>te, und ein ungezähmter Rachedurſt machte Jrmengard ſchwindeln.
Die beengende Kleidung aufreißen und von ſich werfen war das Werk eines Augenbli>s. Dabei fiel ihr der Soli= tär, das Geſchenk des Präſidenten, in die Hand. Sie ge= dachte der hohen Ehren dort und ihres jeßigen Elends