Bitef

Auf jeden Fall muß ich dem ein Ende machen, diesen leeren Einbildungen Einhalt gebietten ! Ich muß Gewißheit haben, sonst sterbe ich ! Entweder verbirgt sich hier ein Verbrechen, oder ich bin verrückt! Bleibt, die Wahrheit zu offenbaren! Ein betrogener Ehemann ! Was macht mir das schon aus, wenn ich es nur weiß ! Damit ich mich mit einem brüllenden Lachen retten kann. Gibt es denn auch nur einen Mann, der sicher sein kann, der einzige Auserkorene zu sein? Wenn ich alle meine Jugendfreunde Revue passieren lasse die heute verheiratet sind, ist da nur ein einziger, den ich nicht ein bißchen betrogen finde! Und die Glücklichen ahnen nichts. Man darf nicht kleinlich sein, zugegeben; ob man eine Frau allein hat oder mit einem zweiten teilt, das ist gleichgültig. Aber wenn man es nicht weiß, wird man zum Gespött. Das ist der springende Punkt ! Zu wissen ! Und wenn ein Ehemann hundert Jahre lebte, so würde er dennoch nie etwas über das Leben und Treiben seiner Frau erfahren. Er würde die Welt kennen, das Universum, ohne eine Vorstellung von der Frau zu haben, deren Leben an seins gekettet ist. Das ist der Grund, warum der arme Monsieur Bovary auf alle glücklichen Ehemänner einen so tiefen Eindruck gemacht hat. Aber ich, ich will die Wahrheit wissen! Um mich zu rächen! Sich einer an! An wem? An den Auserkorenen? Aber die haben doch nur ihre männlichen Rechte mißbraucht ! An der Frau? Man darf es nicht so genau nehmen! Und die Mutter dieser kleinen Engel vernichten, wo denken Sie hin ! Aber ich muß um jeden Preis die Wahrheit wissen ! Und zu dem Zweck werde ich eine gründliche, diskrete, wenn Sie so wollen, wissenschaftliche Untersuchung vornehmen und mich dabei all der Hilfsmittel der neuen psychologischen Wissenschaft bedienen, die Suggestion ausnutzen, das Gedankenlesen, die seelische Tortur, ohne deshalb auf das alte und erprobte Spiel des Einbruchs, des Dibstahls, der Unterschlagung von Briefen, der Lüge, der gefäschten Unterschriften, auf all das zu verzichten. Ist das Monomanie, der Ausbruch eines Wahnsinnigen? Das habe nicht ich zu entscheiden ! Möge der aufgeklärte Leser in letzter Instanz unparteiisch entscheiden, indem er dieses in gutem Glauben geschriebene Buch liest. Vielleicht entdeckt er dort einige Bruchstücke der Physilologie der Liebe, einen Hauch von pathologischer Psychologie und dazu ein Stück Verbrechensphilosophie.

idolatrie , gynolatrie

Es ist doch seltsam, daß das Dasein einer Tatsache Gegenstand für sogenannte Ansichten werden kann. So ist die Stellung des Weibes in der Entwickungskette wizschen Kind und Mann geleugnt worden auf Grund von Ansishten. Daß das Kind ein unentwickelter Mensch ist, wird wohl unabhängig von Neigung und Geschmack sein, trotzdem es

Wunderkinder gibt; ebeso unabhängig von Ansichten ist wohl die Tatsache, daß das Weib ein unausgebil deter Mann ist, trotzdem es Ausnahmen gibt. Die einzige Tatsache, daß der Mann die ganze Kultur geschaffen hat, die geistige wie die materielle, zeigt ja seine Stellung als der Überlegene ; und diese Stellung kann ihm nur don Schwachsinnigen geraubt werden, die sich auf Rosa Bonheurs mittelmäßige Bilder, George Sands Emanzipationsromane und Bertha von Suttners Usurpieren der Friedenssache, die sie nicht erfunden hat, berufen. Es ist doch seltsam, daß diese einfache Wahrheit entdeckt werden mußte, obgleich sie immer bekannt gewesen ist. Es kommt einem vor, als sei das Aussprechen des Geheimnisses mit einer gewissen Gefahr verbunden gewesen, als sei die Möglichkeit eines erotischen Verhältnisses vom Verschweigen des Geheimnisses abhängig gewesen. Damit sich ein Mann einem Weib nähern darf, muß er es »anbeten«! Dieses Anbeten fußt auf der lieblichen Täuschung, die den erotischen oder den göttlichen Wahnsinn begleitet, von dem Sokrates so schön im »Gastmahl« spricht. Die Unterwerfung ist der Liebeslohn, den der Mann erlegt; er glaubt selbst, daß es gute Münze ist, muß aber bald sehen, daß sie nicht eingelöst werden kann, und steht wie ein leichtgläubiger Betrüger vor der betrogenen Göttin da. Dieser Anbeterberuf soll dem abendländischen Mann eigentümlich sein, und existiert nicht im Morgenland. Der Talmud spricht den Fluch über den Mann aus, der seinen Willen einem Weibe gibt; aber gerade den männlichen Willen, will sagen die psychische Kraft, begehrt das Weib vom Manne. Darum hat es den Anschein, als wolle das liebende Weib den Mann hinabziehen, ihn erniedrigen, vor allem ihn beherrschen, obwohl sie nur den Lebensfunken zu einem künftigen Nachkommen sucht. Es war Sache des Jüngern Strindberg und wäre dem altern zu wenig, die Ehe als Hölle zu bezeichnen. Das ganze Leben ist eine Hölle eine unabreißbare Kette von Enttäuschungen, Beschmutzungen, Erniedrigungen, Notzüchtigungen, erlittenen oder verübten; ein Kampf nicht bloß zwischen Mann und Weib, sondern Aller gegen Alle. August Strindberg Siegfried Jacobsohn

der hass Nach einer, wie sich doch sicher alle einig waren, vorzüglichen Aufführung, bestückt mit mehreren, aber doch unbestreitbar ganz erheblichen Schauspielerleistungen was hört man? Proteste, Buh-Rufe, Auöerungen einer geradezu bösartig gereizten ! Gegenwehr neben dem, natürlich, ' enthusiastischen Beifall. Was ist da los? Wer ist da gemehlt? Sicher doch der gute, alte, böse August Strindberg selber. Sein Stück, »Der Vater«, plötzlich wieder ein Reizobjekt und Ärgernis? Ein so altes Trauerspiel plötzlich wieder protestwürdig? Plötzlich wieder do jung?