Bitef

einzupflanzen. Der Hund vermenschlicht zusehends. 11. Akt 1 Auf der Jagd nach Katzen richtet der Neue Mensch in der Wohnung des Professors ein heilloses Durcheinander an. 2 Der Neue Mensch nimmt immer deutlicher die Züge seines Organspenders an. Er macht sich schließlich zum Anwalt der Interessen der Werktätigen, fordert vom Professor ein Dokument über seine Existenz, um sich polizeilich anmelden zu lassen, Er möchte von nun an Polygraph Polygraphowitsch Scharikow heißen. 3 Der Leiter der Wohngenossenschaft Schwonder setzt den Professor unter Druck, damit dieser dem Neuen Menschen das gewünschte Papier ausstellt für den Fall daß es Krieg gibt mit den Imperialisten. Scharikow erklärt jedoch sofort, daß er sich nicht militärisch erfassen lasse, denn schließlich sei er bei der Operation schwer verwundet worden. 4 Der Proffessor ist durch seine erfolglosen Erziehungsversuche völlig erschöpft. Scharikow ähnelt inzwischen vollständig dem Lumpenproletarier Tschugunkin - seine Manieren bringen die beiden gutbürgerlichen Intelektuellen zur Raserei. Nun maßt sich Scharikow auch noch an, Friedrich Engels Lehren zu erteilen, denn er hat auf Schwonders Empfehlung hin gerade den Briefwechsel zwischen Engels und Kautsky gelesen. Auf Bitten des Professors führt Dr. Bormental Scharikow den Zirkus. 5 Durch Schwonders Vermittlung hat Scharikow einen Posten als „Leiter der Abteilung Säuberung der Stadt Moskau von streunenden Tieren, Klammer auf Katzen Klammer zu, bei der Moskauer Kommunalwirtschaft“ bekommen. Vor Freude hat er sich betrunken und richtet durch sein ekelhaftes Verhalten erneut Unheil an. Der Professor möchte Scharikow ausquartieren, aber auch da hat Schwonder vorgesorgt. Scharikow ist inzwischen Mitglied der Wohngenossenschaft und hat in der Wohnung des Professors Anspruch auf sechzehn Quadratarschin Wohnraum. 6 Scharikow erscheint mit einem jungen Fräulein, das er als seine Braut vorstellt. Der Professor macht dem Mädchen klar, daß sie diesen Mann nicht heiraten könne. Heulend zieht das Fräulein ab. Scharikow droht.

sofort für ihre Entlassung zu sorgen. Dr. Bormentals Geduld ist erschöpft. er erinnert Scharikow an seine Hundevergangenheit, um ihn gefügig zu machen. 7 Dr. Bormental redet auf den Professor ein, dem Experiment ein Ende zu setzen. Ein Offizier erscheint und legt dem Professor die politische Denunziation vor, die Scharikow und Schw'onder gemeinsam verfaßt haben. Endlich ist der Professor von der Gefährlichkeit Scharikows überzeugt und damit von der Sinnlosigkeit seiner Entdeckung, denn „man könnte die Hypophyse von Spinoza oder sonstwem verpflanzen und so aus einem Hund ein hochstehendes Wesen machen, wenn das unglückliche Tier dabei nicht unterm Messer bleibt. Aber zu welchem Zweck, verdammt nochmal? Wozu soll man es künstlich formen, w'enn jede Frau es jederzeit gebären kann? “ Scharikow hat kein Hundeherz, sondern ein schäbiges Menschenherz. Das ist das Entsetzliche, und deshalb nehmen die beiden Arzte ihr Ergebnis zurück - sie verwandeln Scharikow' wieder in den Straßenköter Scharik. 8 Haussuchung bei dem Professor, denn er wird beschuldigt, den Bürger Scharikow umgebracht zu haben. Als der Hund erscheint, ist die Verwirrung perfekt, die Beschuldigung jedoch gegenstandslos.□

Die satirische Utopie Bulgakows bietet sowohl den Philosophen und Soziologen als auch den Literaturhistorikern reichen Stoff. M. Tschudakowa und W. Lakschin deuteten bei der Veröffentlichung der Novelle in der Zeitschrift Snamja bereits einige wichtige Linien einer möglichen Interpretation des Hundeherzens an, wobei sie das Werk in das geistige Umfeld der heutigen Gesellschaft stellten. Dabei darf man nicht vergessen, daß Bulgakow kein philosophisches oder politisches Traktat verfaßte, sondern eine Novelle schrieb und versuchte, mit eigenen schriftstellerischen Mitteln die menschlichen und sozialen Folgen des erstaunlichen Experiments von Professor Preobrashenski auszumalen. Bulgakow stand mit seiner sozialen Phantastik nicht allein und schuf sie auch nicht im luftleeren Raum.

Alle einigermaßen ehrlichen Künstler suchten die Zeit des Umbruchs gedanklich zu verarbeiten, sich ihren Forderungen zu stellen und die äußerst komplizierten Fragen zu beantworten. Bekanntlich fielen die Antworten unterschiedlich aus. Ganz erzogen im traditionellen Geiste der klassischen Kultur, war Bulgakow, nachdem er den Zusammenbruch des Humanismus erlebt hatte, trotz allem bestrebt, sich sowohl in seiner satirischen Prosa als auch in der Weißen Garde und in seinen Stücken der zwanziger Jahre zum Thema Mensch zu äußern. Der Schriftsteller trat nicht nur den zu Beginn der zwanziger Jahre verbreiteten Ideen der „Verjüngung" entgegen, sondern polemisierte - mit schriftstellerischen Mitteln - gegen die weitaus einflußreichere und langlebigere Idee der Erschaffung beziehungsweise der Konstruktion eines neuen Menschen. Diese Idee, die in engem, tieferen Zusammenhang mit dem Traum von der vollständigen Unterordnung der ureigensten Natur des menschlichen Lebens unter rationale und kontrollierbare Prinzipien steht, zieht sich tatsächlich durch die gesamte Kultur. Ideologie und Kunst der zwanziger Jahre. □ Anatoli SmeIjanski, Schwarzer Schnee. Bulgakows „Hundeherz“ am Moskauer MTJUS, in; Kunst und Literatur 1/1988,

Michail Afanassjewitsch Bulgakow 2.5. 1891 Vater - Professor an der Geistlichen Akademie Kiew. 1916 bis 1919 Beendet mit Auszeichnung sein Studium an der Medizinischen Fakultät der Universität Kiew. Arbeitet als Landarzt im Dorf Nikolskaja (Gouvernement Smolensk) und danach in Wjasma. 1919 Wird von den Weißen mobilisiert und gerät so nach Wladikowas (heute Ordshonikidse). Erlebt dort den Einmarsch der Roten Armee und schreibt für das dortige Theater drei Stücke, die er bald vernichtet. 1921 Gelangt über Batum, Tiflis und Kiew nach Moskau und veröffentlicht in verschiedenen Zeitschriften, vor allem in Nakanune, satirische und hu-

moristische Feuilletons. Im selben . Jahr nimmt er seine journalistische Tätigkeit für die Satireseite der Eisenbahnerzeitung Gudok auf, an der zu dieser Zeit auch Katajew, Babel. Olescha, Ilf und Petrow arbeiten. Er beginnt mit der Arbeit an seinem Roman Die weiße Garde. 1925 Hundeherz. Publikation seines Erzählzyklus Die Teufeliade; Aufzeichnungen eines jungen Arztes. 1926 Uraufführung seines ersten Stückes DIE TAGE DER TURBINS nach Motiven seines Romans Die weiße Garde am Moskauer Künstlertheater in der Regie von Stanislawski und Sudakow. Bis 1941 erlebte diese InsÍ zenierung 987 Vorstellungen. Im gleichen Jahr erschienen zwei Sammelbände mit Erzählungen; Er Zählungen und Traktat zur Wohnungsfrage. Sein Stück SOJAS WOHNUNG wird am Wachtangow-Theater uraufgeführt, aber bald abgesetzt. 1928 Uraufführung seines Stückes Die PURPURINSEL am Moskauer Kammertheater in der Regie von Tairow. Wegen heftiger Kritik wird das Stück bald abgesetzt. Im selben Jahr plant das MCHAT die Uraufführung seines Stückes DIE FLUCHT, die nicht zustandekommt und erst 1957 am Theater in Stalingrad statfindet. 1930 Die Absetzung seiner Stücke und der nun folgende Publikationsstop veranlassen Bulgakow, einen Brief an die Sowjetregierung zu schreiben und um Ausreise aus seiner Heimat zu ersuchen. Er entscheidet sich aber dann doch dafür, in der Sowjetunion zu bleiben und bittet um ein Engagement am MCHAT. Kurz darauf nimmt er seine Tätigkeit als Regieassistent auf, 1931 Adam und Eva. 1932 UA seiner Dramatisierung von Gogols Die Toten Seelen am MCHAT; Der verrückte jourdain. 1933 Das Leben des Herrn de Meliere. 1934 Glückseligkeit 1934/35 Die letzten Tage. UA erst 1943 am MCHAT. 1935/36 Ivan Wassiljevritsch. 1930 bis 1936 Arbeit an Kabale der Scheinheiligen, Die Uraufführung findet zwar 1936 am MCHAT statt, wird aber nicht ins Repertoire des Theaters übernommen. Daraufhin verläßt Bulgakow das MCHAT.