Bitef

eine tief unter ihnen liegende altdeutsche Stadt hinsausend. Ein weiteres Zitat: wie bei Gründgens 1 Hamburger "Faust I" - Inszenierung von 1956 wird auf dem Blocksberg Rock and Roll getanzt, überblendet vom Atomplitz; in Gretchen sieht die Regisseurin erst einmal eine schweifende Altmänner-Projektion und - Obsession: sie erscheint dreifach in drei über der Bühne schwebenden Schlafzimmer-Kästen: einmal im steifen, weißen, langen Biedermeierkleid eine ins Unerlangbare verpuppte junge Dame (Bojana Stefanović), zum zweiten im knappen weißen Seidenhemd verführerisch sich räkelnd (Sonja Kolačarić), zum dritten als naives, kindlich der Verführung entgegenfieberndes Jüngferlein (Vanja Ejdus). Diese dritte Margarethe "wählt" faust; mit ihr führt er, unwirsch, das Glaubensgespräch; sie kniet verzweifelt im Dom zwischen den Särgen ihres Bruders und ihrer Mutter, und sie zappelt und zuckt gefesselt auf dem matratzenlosen Eisenbettgesteil im Kerker. Ehe Faust sie von dort wegbringen kann, tritt Margarethe 11, jetzt im kurzen rostroten Kleid und ein Messer in der Hand, dazwischen. Sie spricht, markantester textlicher Eingriff der regisseurin, Passagen aus Heiner Müllers "Quartett" und "Medea Material": "Asche daine Küsse auf meinen Lippen... Ich werde meine Adern öffnen wie ein ungelesenes Buch. Sie werden es lesen lernen nach mir. Ich werde es mit einer Schere machen, weil ich eine Frau bin... Sie können sich mit meinem Blut eine neue Fratze schneiden." Dieser harsche Geschlechter-Kampf-Akzent setzt den Schlusspunkt des ersten Abends, dreistündig, vor gut 700 Zuschauern. Den zweiten, "Faust II", ebenso lang, sehen allerdings nur noch 120 Zuschauer. Sie werden durch einen mit schwarzem Plastik verkleideten Gang durch die Unterbühne hereingeführt, vorbei am erwachenden Faust, dem der "Herr" und die drei Margarethen Pfeile aus der Brust ziehen ("Anmutige Gegend" bei Goethe). Auf der Bühne engelangt, werden die Zuschauer auf der Drehscheibe platziert. Hauptspielfläsche ist anfangs die leere Hinterbühne mit ein paar Podesten und fahrbaren Treppen. Hier wird der kaiserliche Maskenball und die klassische Walpurgisnacht ebenso sinnkräftig wie erfindungsreich inszeniert. Neben dem Faust von Bedrag Ejdus bringt Vanja Ejdus die eindringlichste schauspielerische Potenz in die Aufführung ein; nach Margarethe 111 im ersten Teil spielt sie den Homunculus im zweiten: einen atommodellähnlichen, flackernden Strahlenkranz um den Kopf ruckt und zuckt sie wie von Elektrizität gequält: Produkt und Opfer von Faustens Menschen-Erzeugungslaboratorium. Der Kaiser (Slobodan Beitić) erscheint beim Maskenball als viriler großer Pan im langen Tüllkleid, barbrüstig und weinlaubgekrönt; wenn wer sich über den gauklerischen Goldschatz in der Kiste beugt, schreckt ihn die (reichlich angewendete) Pyrotechnik. Die Papiergeld-Erfindung Faustens wird natürlich aktuell aufgeladen: auf die HinterbühnenRückwand ist eine Lufthansa-Maschine projiziert, die beiden mit Köfferchen aussteigenden Business-Men bringen darin Bündel von 100 Euro-Scheinen, die erst projiziert und dann real unters höfische Gefolge verstreut werden. Wenn Helena, eine damenhaft schöne, auch im Schmerz schön deklamierende Erscheinung im fließenden weißen Kleid (Ivana Žigon) vor Menelas erscheint, wird ihr ein klobiges rotes Beil and die todbereit dargebotene Kehle gehalten. Mephisto als Phorkyas (als welcher der Schauspieler seine gefällig sarkastische Pointierung beibehält) bietet Helena Rettung an. Die Drehbühne befördert das Publikum zur Sicht auf die drei Ränge des klassizistisch prunkenden, proper restaurierten Zauschauerhauses. Überm Parkett steht ein kleines Kabinett aus weißen Schleiern, bekrönt von einer Gothe-Gips-Büste. Hier, auf dem Sofa, konversiert Faust im geheimrätlichen Gehrock mit der geretteten Helena, von hier schwingt sich beider Sohn Euphorien in den Tod. Nur für diesen Akt in antiken, Versmaßen, sagt die Regisseurin, hat sie eine ältere serbokroatische Übersetzung verwendet. Die gereimten, geknittelten Verse

der anderen Akte hat sie selbst in reimlose rhythmische Prosa übertragen. Nach dem Helena-Akt wird das Publikum ins Parkett gebeten; vierter und fünfer Akt gehen auf der Bühne vor sich, Kriegs-Helfer Faustens und des Kaisers sind nicht die drei Riesen, sondern eine anderthaibdutzend Mann zählende Soldateska-Formation, Gasmasken-Helme auf den Köpfen, schwarze Tarn-Flecken im Gesicht, unter den offenen schwarzen Mänteln nackt (die Gemächte allerdings im Futteral, das dämpft die Assoziation an Schleefs Landser-Formationen), rote Beile in der Hand. Sie stapfen mehr schlecht als im Gleichschritt voran, ihre Bedrohlichkeit wird vor allem vom martialischen, faschistoiden Sound und Text der Hard-Rock-Band "Leibach" suggeriert. Der blinde Landgewinnungs- (und zerstörungs) -Unternehmer Faust thront im Kapitäns-Blazer auf einer aus zwei Troppen zusammengeschobenen Kommandobrücke. Davor die mit Tisch und Stühlen angedeutete Hütte des Greisenpaares Philemon und Bauds. Sie setzen sich mit dem "Wanderer". Den figuriert, einen kleinen Damen-Rucksack aufgeschnallt, der "Herr"; den Dreien wird von drei von hinten herangetretenen Killern die Kehle durchgeschnitten - noch mal ein verzweifelt ungläubiger Inszenierungsakzent. Also auch kleine Entsühnung und Himmelfahrt Faustens. Den Dammen-''Herr" im Rollstuhl resigniert, nur der kleine Faust-Knabe plädiert für sein alter ego. Aber dazu lachen - Schluss der zwei Abende die als Lemuren maskierten Killer höhnisch. Auch ein serbischer Faust? "Einmal räumte Djindjic auch ein, unter Präsident Milosevic habe jemand wie er ohne "Freunde im Himmel, aber auch der Hölle" nicht auskommen können" (SZ vom 28. 1. 2003) Henning Rischbieter "Theaterheute" April 2003 JEDAN SRPSKI FAUST Renomirani nemački časopis "Theaterheute" u aprilskom broju 2003 objavio je prikazpredstava Faust, I i II deo, NarodnogpozoriSta u Beogradu, koji je potpisao Hening Rišbiter, glavni i odgovorni urednik. Pod naslovom „Jedan srpski Faust, S neba kroz svet do pakta" napisao je: U mraku leži klasicističko zdanje Narodnog muzeja u Beogradu; samo je fasada Narodnog pozorišta preko puta, brižljivo restaurirane gradevine iz 1868, obasjana svetlom. Ovde je režiserka Mira Erceg, obrazovana u buntovnom delu DDR teatra, a rodom iz Beograda, pre nekoliko godina na scenu postavila Orestiju, a sada i oba dela Geteovog Fausta. Osmomesečne probe su nedeljama morale biti prekinute, budući da je Ministarstvo kulture uskratilo, delimično i do danas, subveneije, a glumci su se u meduvremenu prihvatili tezgi na TV i u privatnim pozorištima. Škripalo je i na polju tehnike. Rezultat je zadivljujuće umetničko ostvarenje puno energije. Velika, prazna scena Narodnog pozorišta se gubi u crnilu, dok se tek daleko iza naziru obrisi lučne arhitekture. Igra se na i pod scenom, uz oštre, jake svetlosne akeente. Sa scene, visoko gore poleće podzemni duh - dekorativno, odbojno, žensko elementarno božanstvo, 3 metra visoko, u kostimu koji predstavlja ogromno zvono, sačinjeno od bilja i cvati. Prilikom uskršnje šetnje Faust i Vagner ne nailaze na seosku idilu, već na operetske klišee folklora, gotovo elegantne plesne parove. Fausta igra Predrag Ejdus, koji s uverljivošću koja ni u jednom času ne popušta, uspeva da izrazi Faustovu glad za spoznajom i bol koji je tim prouzrokovan, sumnju samu po sebi i gnušanje: mali-veliki intelektualac, Pojavljuje se u ernom, sa sedom perikom i istraživačkim naočarima, podignutim na