Brehms Tierleben eallgemeine Kunde des Tierreichs : mit 1800 Abbildungen im Text, 9 Karten und 180 Tafein in Farbendruck und Holzschnitt 1/1

Verteidigung8weiſe. Werfen. Fortpflanzung. Affenliebe. Wachstum. 51 Eltern ſie beſißen, und einem Geſichte, welches ſeiner Falten und Nunzeln halber dem eines Greiſes ähnlicher ſicht als dem eines Kindes. Dieſer Wechſelbalg iſt aber der Liebling der Mutter, und ſie hätſchelt und pflegt ihn in rührender oder — lächerlicher Weiſe; denn die Affenliebe ſtreift, mindeſtens in unſeren Augen, an das Lächerliche. Das Kind hängt ſi bald nah ſeiner Geburt mit beiden Vorderhänden an dem Halſe, mit beiden Hinterhänden aber an den Weichen der Mutter feſt, in der geeignetſten Lage, die laufende Mutter niht zu behelligen und ungeſtört zu ſaugen. Ältere Affenkinder ſpringen bei Gefahr auh wohl auf Schulter und Nü>en ihrer Eltern.

Anfangs iſt der Affenſäugling gefühl- und teilnahmlos, um ſo zärtlicher aber die Mutter. Sie hat ohne Unterlaß mit ihm zu thun; bald le>t ſie ihn, bald lauſt ſie ihn wieder, bald drückt ſie ihn an ſich, bald nimmt ſie ihn in beide Hände, als wolle ſie ſih an ſeinem Anbli>ke weiden, bald legt ſie ihn an die Bruſt, bald ſchaukelt ſie ihn hin und her, als wolle ſie ihn einwiegen. Plinius verſichert ernſthaft, daß Äffinnen ihre Jungen aus Liebe zu Tode drü>en; in der Neuzeit iſt dies niemals beobachtet worden. Nah einiger Zeit beginnt der junge Affe mehr oder weniger ſelbſtändig zu werden, verlangt namentlich ab und zu ein wenig Freiheit. Dieſe wird ihm gewährt. Die Alte läßt ihn aus ihren Armen, und ex darf mit anderen Affenkindern ſcherzen und ſpielen; ſie aber verwendet keinen B 3li> von ihm und hält ihn in beſtändiger Aufſicht, geht ihm übrigens willig auf allen Schritten nah und erlaubt ihm, was ſie gewähren kann. Bei der geringſten Gefahr ſtürzt ſie auf ihn zu, läßt einen eigentümlichen Ton hören und ladet ihn dur denſelben ein, ſi< an ihre Bruſt zu flüchten. Etwaigen Ungehorſam beſtraft ſie mit Knüſfen und Vüſffen, oft mit förmlichen Ohrfeigen. Doch kommt es ſelten dazu; denn das Affenkind iſt ſo gehorſam, daß es manchem Menſchenkinde zum Vorbilde dienen könnte, und gewöhnlich genügt ihm der erſte Befehl ſeiner Mutter. Fn der Gefangenſchaft teilt ſie, wie ih mehrfah beobachtet habe, jeden Biſſen treulih mit ihrem Sprößlinge und zeigt an ſeinem Geſchide einen ſol<hen Anteil, daß man ſich oft der Nührung niht erwehren kann. Der Tod eines Kindes hat in vielen Fällen das Hinſcheiden der gefangenen Mutter zur Folge. Stirbt eine Äffin, ſo nimmt das erſte beſte Mitglied der Bande die Waiſe an Kindes Statt an, und die Zärtlichkeit gegen ein Pflegekind der eigenen Art iſt kaum geringer als die, welche dem eigenen Kinde zu teil wird. Bei anderartigen Pfleglingen iſt dies anders: hier zeigt ſich der Affe oft als unerklärlihes Rätſel. Er pflegt ſeinen angenommenen Liebling nah Möglichkeit, drü>kt ihn an ſich, reinigt ihn, behält ihn unter ſteter Aufſicht, gibt ihm aber gewöhnlih nichts zu freſſen, ſondern nimmt das für das Pflegekind beſtimmte Futter ohne Gewiſſensbiſſe zu ſih, hält jenes au<, während er frißt, ſorgſam vom Napfe weg. So habe ih an Pavianen beobachtet, wenn ſie junge Hunde oder Kaßgen zu Pfleglingen erkoren hatten.

Es iſt no< niht ermittelt, wie viele Fahre der Affe durhſchnittli< zu ſeinem Wachstume braucht. Daß dieſe Zeit bei den größeren Arten eine längere als bei den kleineren iſt, verſteht ſi<h wohl von ſelbſt. Meerkaßen und amerikaniſche Affen ſind vermutli<h in 9—<4 Jahren erwachſen, Paviane aber bedürfen 8—12 Jahre zu ihrem Wachstume, und die größeren Menſchenaffen erreihen wahrſcheinli<h no< viel ſpäter ihre Mannbaxrkeit, da bei ihnen der Zahnwechſel kaum in einem früheren Lebensabſchnitte als beim Menſchen eintritt. Jm Freileben ſ{heinen alle Affen wenigen Krankheiten ausgeſeßt zu ſein; mindeſtens weiß man nichts von Seuchen, welche dann und wann unter ihnen wüten ſollten. Wie hoch ſie ihr Alter bringen, kann nicht beſtimmt werden; do< darf man wohl annehmen, daß die Menſchenaffen auh ein volles Menſchenalter erreichen, vielleicht no< älter werden als der Menſch. Bei uns zu Lande leiden alle außerordentli<h. Gewöhnlich pflegt die Lungenſchwindſucht ihr Leben zu beenden. Ein kranker Affe iſt eine Erſcheinung, welche jedermann rühren muß. Der ſonſt ſo heitere Geſell ſißt traurig und elend da und ſchaut

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