Brehms Tierleben eallgemeine Kunde des Tierreichs : mit 1800 Abbildungen im Text, 9 Karten und 180 Tafein in Farbendruck und Holzschnitt 1/1

Schimpanſe: Nahrung. Zähmbarkeit, Geiſtige Begabung. Betragen in Gefangenſchaft. 85 ihn mit einem Stücke Baumwollenzeug, von dem er ſih dann, zur allgemeinen Beluſtigung, niht wieder trennen mochte, und welches er überallhin mitſhleppte, fo daß keine Verlockung ſtark genug wax, ihn zum Aufgeben desſelben auh nur für einen Augenbli> zu bewegen. Die Lebensweiſe der Tiere in der Wildnis war mir völlig unbekannt; ih verſuchte deshalb, ihn nah meiner Art zu ernähren, und hatte den beſten Erfolg. Morgens um 8 Uhr bekam mein Gefangener ein Stü Brot in Waſſer oder in verdünnter Milch geweiht, gegen 2 Uhr ein paar Bananen oder Piſang und, ehe er ſih niederlegte, wieder eine Banane, eine Apfelſine oder ein Stück Ananas. Die Banane ſchien ſeine Lieblingsfrucht zu ſein, für ſie ließ er jedes andere Gericht im Stiche, und wenn er ſie niht bekam, war er höchſt mürriſh. Als ih ihm einmal eine verweigerte, bekundete er die heftigſte Wut, ſtieß einen ſchrillen Schrei aus und rannte mit dem Kopfe ſo heftig gegen die Wand, daß er auf den Nücken fiel, ſtieg dann auf eine Kiſte, ſtre>te die Arme verzweiflungsvoll aus und ſtürzte ſi herunter. Alles dies ließ mich ſo ſehr für ſein Leben fürchten, daß ih den Widerſtand aufgab. Nun erfreute er ſih ſeines Sieges auf das lebhafteſte, indem er minutenlang ein höchſt bedeutungsvolles Gurgeln hören ließ: kurz, jedesmal, wenn man ihm ſeinen Willen niht thun wollte, zeigte er ſi< wie ein verzogenes Kind. Aber ſo böſe er auch werden mochte, nie bemerkte ih, daß er geneigt geweſen wäre, ſeinen Wärter oder mich zu beißen oder ſih ſonſtwie an uns zu vergreifen.“

JFch kann dieſe Berichte nah eigener Erfahrung beſtätigen und vervollſtändigen, da ih ſelbſt mehrere Schimpanſen jahrelang gepflegt und beobachtet habe. Einen ſolchen Affen kann man niht wie ein Tier behandeln, ſondern mit ihm nur wie mit einem Menſchen verkehren. Ungeachtet aller Eigentümlichkeiten, welche ex bekundet, zeigt er in ſeinem Weſen und Gebaren ſo außerordentlih viel Menſchliches, daß man das Tier beinahe vergißt. Sein Leib iſt der eines Tieres, ſein Verſtand ſteht mit dem eines rohen Menſchen faſt auf einer und derſelben Stufe. Es würde abgeſhmad>t ſein, wollte man die Handlungen und Streiche eines ſo hoh ſtehenden Geſhöpfes einzig und allein auf Nehnung einer urteilsloſen Nachahmung ſtellen, wie man es hin und wieder gethan hat. Allerdings ahmt der Schimpanſe nah; es geſchieht dies aber genau in derſelben Weiſe, in welcher ein Menſchenkind Erwachſenen etwas nachthut, alſo mit Verſtändnis und Urteil. Er läßt ſih belehren und lernt. Wäre ſeine Hand ebenſo willig oder gebrauchsfähig wie die Menſchenhand, er würde no< ganz anderes na<hahmen, no< ganz anderes lernen. Er thut eben, ſoviel er zu thun vermag, führt das aus, was er ausführen kann; jede ſeiner Handlungen aber geſchieht mit Bewußtſein, mit entſchiedener Überlegung. Er verſteht, was ihm geſagt wird, und wir verſtehen auh ihn, weil ex zu ſprechen weiß, niht mit Worten allerdings, aber mit ſo ausdru>svoll betonten Lauten und Silben, daß wir uns über ſein Begehren nicht täuſchen. Er erkennt ſi<h und ſeine Umgebung und iſt ſih ſeiner Stellung bewußt. Jm Umgange mit dem Menſchen ordnet er ſih höherer Begabung und Fähigkeit unter, im Umgange mit Tieren bekundet ex ein ähnliches Selbſtbewußtſein wie der Menſch. Ex hält ſi für beſſer, für höher ſtehend als andere Tiere, namentli<h als andere Affen. Sehr wohl unterſcheidet er zwiſchen erwachſenen Menſchen und Kindern: erſtere achtet, lettere liebt ex, vorausgeſeßt, daß es ſi<h niht um Knaben handelt, welche ihn ne>en oder ſonſtwie beunruhigen. Er hat wißbige Einfälle und erlaubt ſi<h Späße, nicht bloß Tieren, ſondern auh Menſchen gegenüber. Er zeigt Teilnahme für Gegenſtände, welche mit ſeinen natürlichen Bedürf: niſſen feinen Zuſammenhang haben, für Tiere, welche ihn ſozuſagen nihts angehen, mit denen er weder Freundſchaft anknüpfen noch in irgend ein anderes Verhältnis treten kann. Er iſt niht bloß neugierig, ſondern förmlih wißbegierig. Ein Gegenſtand, welcher ſeine Aufmerkſamkeit erregte, gewinnt an Wert für ihn, wenn er gelernt hat, ihn zu benuben. Er verſteht Schlüſſe zu ziehen, von dem einen auf etwas anderes zu folgern, gewiſſe