Brehms Tierleben eallgemeine Kunde des Tierreichs : mit 1800 Abbildungen im Text, 9 Karten und 180 Tafein in Farbendruck und Holzschnitt 1/1

Alfred Edmund Brehm. XTX

wohl befremdliche Jngrimm Brehms gegen die „Pfaffen“ von ſelbſt. Die hier gegebene Charakteriſtik des Vaters entſtammt in den allgemeinen Zügen der Schilderung des Sohnes in der „Gartenlaube“. Da der lebtere keine eigenen Aufzeichnungen über ſeine Jugendjahre hinterlaſſen hat und trog aller angewandten Mühe keine ausführlichere Auskunft darüber zu erlangen war, ſo ſind wir auf dasjenige angewieſen, was er hierüber gelegentlich ſeinen Freunden und namentlih dem Berliner Schriftſteller H. Beta (geſtorben 1876) zum Behufe einer kurzen Lebensſchilderung erzählt hat." Wir erſehen daraus, wie der Keim zur Beobachtung des Lebens der Tiere auf dieſen unter der väterlichen Leitung unternommenen Ausflügen dur< Wald und Flux gelegt wurde:

„Da fliegt eine Feder, von welchem Vogel iſt ſie, Alfred? Hörſt du es dort pfeifen und ſingen? Wer iſ der Tonkünſtler, wie heißt er, und wie ſieht er aus? Wie machen wir's, um ihn aufzuſuhen? Hier iſ ein Neſt. Welcher Vogel kann es nur gebaut haben? Wie erkennt man überhaupt den Vogel nicht nur an den Federn, ſondern an irgend einer Feder? An ſeinem Neſte? Seinen Eiern? Seinem Schlage oder Nufe? Wie ſpricht dieſer oder jener Vogel in Liebe, Zorn, Gefahr oder Furht?# — — — Zuweilen wurde ſchon lange vor Sonnenaufgang aufgebrochen, um in Geſellſchaft befreundeter Weidmänner ein beſonderes Schauſpiel der Natur, ein Morgenkonzert der Künſtler, welche alle „vom Blatt“ ſingen, oder ein Ballett berühmter Tänzer unter den Vögeln zu beſuhen. Der Morgen graut durch den tautriefenden, waſſerdihtenden Wald herein und ſchimmert mit zweifelhaftem Lichte auf den Tanzplatz des balzenden Auerhahnes. Die Weidmänner ſ<hleihen ſih, mit dem Knaben Brehm in der Mitte, heran und harren mit ſ{hlagenden Herzen des erſten Tones. Bald dringt auch ein vernehmliches „Töd“ durch die Zweige, und ihm folgt mit beſchleunigter Geſchwindigkeit eine ganze Reihe von Töd-öd-öd-öds, welche mit einem ſhnalzenden „Gla“ abſchließen. Niemand rührt ſi, und auch der blonde Junge muß mäuschenſtill ſein, bis der eigentlihe Tanz beginnt, wozu ſich der verliebte Hahn mit einem ſhleifenden und weßenden „Heide-heide-heide-heide- heide-heiderei“ ſelbſt die Muſik macht. Das iſt der Augenbli>, ſich auf kunſtgerehte Weiſe näher heranzuſhleihen und das tödliche Rohr zu rihten. Plößlich fnallt es dur die Waldesſtille, und der Knabe ſieht es... noh als Mann, wie ſich die Dampfwolke ſ{hwer auf das naſſe Geſträuch ſenkt, als wollte es den mitten in ſeinem Lieblingstanze dahingeſtre>ten Tänzer wie mit einem Leichentuche bede>en. Aber der Auerhahn, der höchſte Triumph des Waldjägers, wird freudig dem alten Prieſter Gottes und der Natur für ſein unvergleihlihes Vogelmuſeum übergeben.

Untex dieſer frühen und unübertrefflihen Anleitung erwarb ſih ſchon der Knabe jenes Späherauge, das den Vogel in Wolkenhöhe und den Vierſüßler am Horizonte verfolgen konnte, und dem ſo leiht kein Getier entging, mote es ſi<h am Boden hindrü>en oder im dihten Laube verbergen. Aber ſein Blik wurde auch auf die feineren Unterſchiede in Foru

2 „Gartenlaube“ 1869, S. 20. — Einige weitere Einzelheiten verdankt der Verfaſſer dieſer Zeilen der freundlihen Mitteilung des einzigen lebenden Sohnes, Herrn Dr. med. Horſt Brehm, und des Herrn Archi: diafonus D. L. Korn in Eiſenberg ſowie einigen Freunden Brehms. Der Hauptſtoff für die vorliegende Lebensſchilderung mußte den eigenen Schriften Brehms entnommen werden, ſo daß die Angaben allerſeits zuverläſſig ſein dürften.

TNS