Brehms Tierleben eallgemeine Kunde des Tierreichs : mit 1800 Abbildungen im Text, 9 Karten und 180 Tafein in Farbendruck und Holzschnitt 1/1
NO Alfred Edmund Brehm.
und Färbung verwandter Arten hingelenkt, und in dieſer Beziehung hätte kein angehender Naturforſcher einen beſſeren Lehrmeiſter finden können als der junge Brehm in ſeinem Vater. Denn dieſer war ein mit ſolcher Sorgfalt und Scharfſichtigkeit ausgerüſteter Beobachter, daß viele ſeiner Mitforſcher klagten, er ſähe die Tiere allzu genau an und nähme mehr an ihnen wahr, als zu ihrer Unterſcheidung nötig wäre. Jn der That fand der alte Brehm ſo feine Unterſchiede an den von ihm geſammelten Vögeln heraus, daß er immer neue, beſtimmten Gegenden eigentümlihe Formen aufſtellen mußte, die er dann als beſondere Arten oder Unterarten beſchrieb und, um ſie auseinander zu halten, mit beſonderen Namen belegte. Er geriet darüber oft mit ſeinen Fachgenoſſen, welche dieſe Unterformen nicht als feſtſtehende Arten anerkennen wollten, in wiſſenſchaſtlichen Streit, der indeſſen von ihm ſelbſt immer mit der gebührenden Ruhe und Beſonnenheit geführt wurde, obwohl er nah ſeinen ausgebreiteten Erfahrungen darauf beſtehen mußte, daß dieſe Unterarten der verſchiedenen Länder und Gebiete an ſih ebenſo beſtändig und feſtſtehend ſeien wie die bisher allein anerkannten, ſogenannten typiſchen Formen der erſten Beſchreiber. Es war der Streit um die Beſtändigkeit der Art, der hier ſeinen Schatten vorauswarf, und der alte Brehm war in dieſer Richtung einer der kenntnisreihſten Vorgänger Darwins, ſofern er beſſer als die meiſten anderen Tierforſcher wußte, daß dasjenige, was man als Art bezeichnet, keinen feſtbegrenzten Formenkreis umſchließt, ſondern ſich ſelber wieder aus Unterarten zuſammenſeßt, die man nur darum nicht voneinander zu trennen weiß, weil ſie dur< eine oft lange Reihe von Übergängen miteinander verbunden ſind.
Nach einer entgegengeſeßten Richtung arbeiteten ſeine Studien auch wieder darauf hin, die Überzahl der Formen einzuſchränken. Denn ſeine allmählih auf ca. 9000 Stü angewachſene Sammlung meiſt einheimiſcher Vögel enthielt die einzelnen Arten niht nur in zahlreichen Spielarten aus allen Gegenden Deutſchlands und in beiden Geſchlechtern, ſondern au in mannigfachen Alters- und Entwicelungszuſtänden, in denen mance Arten ein höchſt verſchiedenes Anſehen darbieten und infolge einer doppelten Mauſer oft ſogar ein ſehr ungleiches Fahreszeitentleid tragen. Auf alle ſolhe Fragen und im beſonderen auf die nah den limatiſchen und örtlichen Abänderungen gab das Brehmſche Muſeum, welhes der Sohn vor ſeinen Augen wachſen ſah und vergrößern half, die ergiebigſte Auskunft, und oft kamen berühmte Forſcher aus weiter Ferne nah dem kleinen thüringiſchen Orte, um ſi<h hier Gewißheit zu verſchaffen oder das Urteil des alten Brehm, der troß ſeiner in manchen Punkten abweichenden Anſichten von allen Ornithologen als eine Autorität erſten Ranges anerkannt wurde, in Anſpruch zu nehmen. Dadurch entwi>elte ſich ein lebhafter Austauſchverkehx in Fdeen und Beweisſtücken, deſſen wir Erwähnung thun müſſen, um es verſtändlih zu machen, wie der Landpfarrer mit ſeinen beſcheidenen Mitteln eine der reichhaltigſten Vogelſammlungen der Welt zuſammenbringen konnte, die allein gegen 700 Stück der meiſt größeren Raubvögel enthielt. Reiſende, die fremde Länder beſuchten, ſandten große Kiſten mit Bälgen ſeltener Vögel, und ſo hat Karl Werner den „alten Brehm“ auf einem im Britiſchen Muſeum befindlichen Gemälde in ſeinem Arbeitszimmer dargeſtellt neben ihm eine von dem Afrikareiſenden Theodor von Heuglin geſandte und halb ausgepa>te Kiſte mit Vogelbälgen, von denen aber erſt eine damalige Neuheit, der