Brehms Tierleben eallgemeine Kunde des Tierreichs : mit 1800 Abbildungen im Text, 9 Karten und 180 Tafein in Farbendruck und Holzschnitt 1/1
652 Vierte Ordnung: Raubtiere; dritte Familie: Marder.
Baue. Zuweilen geſchieht es auh wohl, daß ein Dachs dem anderen verwundeten zu Hilfe fommt. Einen ſolchen Fall hat, nah Karl Müller, ein Förſter in Dienſten des Grafen von Schliß aufgezeichnet. Er ſchoß im Oktober abends auf einen Das, welcher kaum einen Schritt von der Röhre ſih entfernt hatte. Das Tier wälzte ſi klagend und ſchien dadurch die Teilnahme eines Gefährten im Baue erwe>t zu haben, denn ehe der Schüße hinzueilen Zeit findet, ſteigt ein zweiter Dachs aus dem Baue, pat den klagenden, zieht ihn in die Röhre und verſchwindet in der Tiefe. Wird der Dachs im Freien von einen Hunde überraſcht, ſo legt er ſih zuerſt platt auf den Boden, als würde er dadur<h geborgen, wirft ſi<h dann aber auf. den Rücken und verteidigt ſih ebenſo ſchnell wie mutig mit ſeinem ſcharfen Gebiſſe und ſeinen Klauen. Jm Baue verwundet ex die eingefahrenen Dachshunde oft fürchterlih an der Naſe, und wenn er ſi< einmal verbiſſen hat, läßt er nicht ſogleich los. Ein einziger S<hlag auf die Naſe genügt, um ihn zu töten, während an den übrigen Teilen des Leibes die heftigſten Hiebe keine beſondere Wirkung hervorzubringen ſcheinen. Sobald er Nachſtellungen erfährt, verdoppelt er ſeine Vorſitht, und es kommt nicht ſelten vor, daß ein Dahs 2—8 Tage ruhig in ſeinem Baue verbleibt, wenn dieſer vorher von einem Hunde oder Jäger beſucht wurde. Fn manchen Gegenden geht man nachts an den Bau, ſett dort ſcharfe Hunde auf ſeine Fährte und läßt ihn verfolgen. Nach kurzer Zeit kommt er zurü> und kann von dem Jäger, welcher mit einer Blendlaterne verſehen iſt, erlegt werden, da ihn die Hunde gewöhnlich bald erreichen und feſtpacen.
Alt eingefangene, beim Ausgraben ihrer Baue erbeutete Dachſe ſind geradezu abſ<heuliche Tiere, jeder Behandlung oder Erziehung unzugängli<h, faul, mißtrauiſch, tü>iſ< und bösartig. Sie rühren ſi<h bei Tage niht und kommen nur des Nachts zum Vorſchein, fletſchen bei jeder Gelegenheit die Zähne und beißen den, welcher unvorſichtig ſich ihnen nähert, in gefahrdrohender Weiſe. Lenz erhielt einen alten, fetten, ganz unverſehrten Dachs und that ihn in eine große Kiſte. Hier blieb er ruhig in derſelben Ecke liegen, rührte ſih niht, wenn man ihn nicht derb ſtieß, und wurde erſt nahts na< 10 Uhr munter. „Wollte ih ihn“, ſagt unſer Gewährsmann, „den Tag über in eine andere Ete ſchaffen, ſo mußte ich ihn mit Gewalt vermittelſt einer großen Schaufel dahin ſchieben. Jn ſolchen Fällen und überhaupt, wenn i< ihn dur< Rippenſtöße 2c. kränkte, fauchte er heſtig dur< die Naſe, verurſahte dann abwechſelnd dur die Erſchütterung ſeines Bauches ein ganz eigenes Trommeln, und wenn ex, um zu beißen, auf mich losfuhr, gab er einen Ton von ſi, faſt wie ein großer Hund oder Bär in dem Augenbli>e, wenn er einen Rippenſtoß bekommt und losbeißt.
„Am erſten Tage gab ih ihm einige Möhren, zuglei<h aber auch eine lebende Blindleiche nebſt zwei Ringelnattern in ſeine Kiſte. Am folgenden Morgen ſand ich, daß er nichts gefreſſen, aber eine Ringelnatter in der Mitte tüchtig zerbiſſen hatte. Abends fügte ih zu dieſen Speiſen no< zwei große Kreuzottern, welche ih vor ſeine Schnauze legte. Er beachtete ſie niht im geringſten, ließ ſi< dur< ihr Fauchen gar nicht in ſeiner Ruhe ſtören, obgleich er feineswegs ſ<lief, und litt ſpäterhin ganz geduldig, daß ſie wie auch die Ringelnattern auf ihm herumkrochen. Am dritten Tage morgens fand ih no< immer alle Speiſen unverſehrt, nur hatte er von der tags zuvor angebiſſenen Ringelnatter ein etwa 7 cm langes Stü abgefreſſen. Zu den erwähnten Speiſen fügte ih nun noc eine tote Meiſe, ein Stück Kaninchen und Runkelrüben. Am vierten Tage morgens fand ih, daß er die Blindſhleiche nebſt beiden Kreuzottern ganz aufgezehrt, von beiden Ringelnattern ſowie vom Kaninchen ein tühtiges Stüc abgefreſſen, die Meiſe aber wie die Möhren und Rüben nicht angerührt hatte. Ex zeigte ſih nun überhaupt munter, und da ich ſah, daß ihm Kreuzottern wohlbehagten, ſehnte ih mi<h na< dem Schauſpiele, ihn ſolche zerreißen und freſſen zu ſehen. Wie war dies aber anzufangen, da er ſeiner Natur nach nur des Nachts frißt und außerdem faſt übermäßig {heu iſt?