Brehms Tierleben eallgemeine Kunde des Tierreichs : mit 1800 Abbildungen im Text, 9 Karten und 180 Tafein in Farbendruck und Holzschnitt 1/1
654 Vierte Ordnung: Raubtiere; dritte Familie: Marder.
gehen konnte. Jn der Tiefe des leßteren ließ ich ein 2 m langes, ebenſo breites und !/2 m hohes Häuschen mit einer Eingangsthüre bauen. Da hinein wurden meine Dachſe gelaſſen, und ſie gewöhnten ſich ſehr bald an den ihnen anfangs fremden Ort. Nach etwa zehntägigem Aufenthalte begannen ſie ſchon, eine naturgemäße Höhle ſih zu bauen. Bewunderungswürdig war dabei ihre unermüdliche Thätigkeit. Sie gruben immer mit ihren Vorderpfoten; der Hinterfüße bedienten ſie ſih, um die losgegrabene Erde aus dem Loche herauszuwerfen. Bei dieſem Geſchäfte war das Weibchen viel thätiger als das weit ſhönere und größere Männchen. Vinnen zwei Wochen war ſchon die Höhle 2 m ausgetieft, verlief aber immer no< innerhalb des für die Tiere gemahten Häuschens. Jeßt wandten die Dachſe alle mögliche Thätigkeit an, um ſi< ihren Bau um ſo viel zu erweitern, daß ſie bequem in ihm ſ{lafen konnten. Es mangelte ihnen noch an einem guten Lager, und als ih bemerkte daß ſie die in ihrem Bereiche befindlichen Grasbüſchel ihrer Höhle zutrugen, ließ ih ihnen friſches Heu holen. Sie wußten dieſes ſehr gut zu benußen, und es gewährte einen anziehenden Anbli>, wenn man ihnen zuſah, wie ſie die ihnen vorgeworfenen Heubündel na< Art der Affen zwiſchen ihre Vorderpfoten nahmen und ſo ihrer Wohnung zuſchleppten. Das Graben währte no< immer fort, und ih hatte das Vergnügen, zu bemerken, daß ſih meine Tiere neben der erſten Höhle, welche zur Schlafkammer beſtimmt wurde, eine andere gruben, welche ſie als Vorratskammer zu benußen gedachten. Bald darauf machten ſie noch drei kleinere Höhlen, in denen ſie ſih dann regelmäßig ihres Kotes entledigten. Es war aber immer no< bloß ein Ausgang und zwar innerhalb des für ſie gemachten Häuschens vorhanden. Doch nun wurde alle möglihe Mühe angewendet, um ſih einen Ausgang außerhalb des Häushens zu graben. Als ſie dieſes erreicht hatten, waren ſie vollkommen frei und fonnten, obgleich die Thüre des Häuschens zugemacht worden war, aus- und eingehen und, wenn ſie einmal im Graben waren, auh in den Garten dur<h Zaunlöcher gelangen.
„Sehr ſ{hön war es anzuſehen, wie ſie hier in hellen und milden Nächten zuſammen
ſpielten. Sie bellten wie junge Hunde, murmelten wie Murmeltiere, umarmten einander zärtlich wie Affen und trieben tauſenderlei Poſſen. Wenn ein Schaf oder Kalb in der Gegend zu Grunde ging, waren die Dachſe immer die erſten bei ſeinem Aaſe. Es erregte aller Bewunderung, zu ſehen, was für große Stücken Fleiſch ſie bis auf eine Viertelmeile weit zu ihrer Wohnung trugen. Das Männchen entfernte ſi< ſelten von dem Baue, außer wenn es der Hunger trieb; das Weibchen aber folgte mir auf allen meinen Spaziergängen nah.
„Die Monate Dezember und Fanuar verſchliefen meine Dachſe in der Höhle. Jm Februar wurden ſie lebendig. Zu Ende dieſes Monates begatteten ſie ſi<h. Aber leider ſollte ih niht das Vergnügen haben, Junge von meinem Pärchen zu erhalten; denn das trächtige Weibchen wurde am 1. April in einem benachbarten Walde in einem Fuchseiſen gefangen und von dem unkundigen Jäger erſchlagen.“
Über einen anderen gezähmten und gleihſam zum Haustiere gewordenen Dachs ſchreibt mir Ludwig Be>mann das Nachſtehende: „Jung eingefangene Dachſe werden bei guter Behandlung, namentlih im freien Umgange mit Haushunden, außerordentlich zahm. Ih habe früher eine völlig zum Haustiere gewordene Dächſin beſeſſen und ihren Verluſt tief betrauert. Kaſpar, ſo wurde ſie troy ihres Geſchle<htes genannt, war eine grundehrlihe, wenn auh etwas plumpe Natur. Er wollte mit aller Welt gern im Frieden leben, wurde indes wegen ſeiner derben Späße oft mißverſtanden und mußte dann unangenehme Erfahrungen machen. Sein eigentlicher Spielkamerad war ein äußerſt gewandtex, verſtändiger Hühnerhund, welchen ih von Jugend auf daran gewöhnt hatte, mit allerlei wildem Getiere zu verkehren. Mit dieſem Hunde führte der Dachs an ſhönen Abenden förmliche Turniere auf, und es kamen von weit und breit Tierfreunde zu mir, um dieſem ſeltenen Schauſpiele beizuwohnen. Das Weſentliche des Kampfes beſtand darin, daß der Dachs nah