Brehms Tierleben eallgemeine Kunde des Tierreichs : mit 1800 Abbildungen im Text, 9 Karten und 180 Tafein in Farbendruck und Holzschnitt 1/1
T2 Ein Blick auf das Leben dex Geſamtheit.
in ſoler Maſſe dahin, daß ihre kleinen Leichname verweſend die Luft verpeſten. Ähnliches iſt auh unter größeren Arten in Wald und Flux unſerer Heimat wie in fernen Wildniſſen beobachtet worden.
Das Tier ſteht unmittelbar unter dem Zwange der Natur. Wie die Erſcheinungen ſich vollziehen, widrige Ereigniſſe hereinbrehen, lebt es in Fülle oder leidet Mangel, friert, hungert, verſ<hmachtet es, wird es jählings vernichtet. Die Not treibt es aus dem vertrauten Wohngebiete zu oftmals weiten Wanderungen, bis es entkräftet liegen bleibt und verendet. Es wird von ſelbſtverſchuldeten Unglücksfällen: Knochenbrüchen, Verluſt des Augenlichtes, ſeiner Bewehrung, betroffen, wie ſie ein falſcher Tritt, ein verfehlter Sprung, der Kampf mit Nebenbuhlern mit fi< bringen. Jn harten, ſhneereichen Wintern, während langer furchtbarer Dürren ſtirbt es eines elenden Hungertodes und erliegt Feuer und Rauch, wenn von Gras- und Waldbränden umzingelt. Es wird von Überſchwemmungen überraſcht und geht ermattet in den Waſſern zu Grunde; es verkommt in Sturm und Kälte ungewöhnlicher Art, wird von Lawinen in die Tiefe geriſſen, von Steinſchlägen zermalmt, von ſtürzenden Urwaldrieſen zerſchmettert und ſelbſt vom Blißſtrahl niedergeſtre>t. Und wie viele hauchen ihr Leben aus unter Zähnen und Krallen der Stärkeren, verlieren es dur< Fallen, Schlingen, Gift und Geſchoſſe des Menſchen.
„Das Tier hat au< ein Schi>kſal“/ ſagt Scheitlin. „Es hängt von ſeinen Verhältniſſen zur Natux und den natürlichen Umgebungen zu dem Menſchen, wenn es mit ihm in Verkehr kommt, zum Teile auh von ſi< ſelbſt ab. Dft muß es des Menſchen Schiéſal und der Menſch das des Tieres teilen; es geht mit ihm zu Grunde im Feuer und Waſſer, in der Shlacht und im Kampſe. Manche Pferde ſind Helden, für welche keine Kugel gegoſſen zu ſein ſcheint, andere ſtre>t die erſte feindlihe Kugel nieder. Das junge, ſchöne Füllen wird faſt mit Gold aufgewogen, dann zugeritten, zu freien, frohen Wettrennen benußt, bald darauf mit Stricken an eine Kutſche geſpannt, doh immer no< mit Hafer gefüttert: es iſt no< der Ruhm ſeines Kutſchers, der Stolz ſeines Reiters. Dann geht es an einen Lohnkutſcher über; rohe Menſchen quälen es beinahe zu Tode. Es muß denno<h alltäglih wie ein Sklave ziehen; es hinkt, denno< muß es laufen. Ft es ein Poſtpferd geworden, ſo geht es ihm niht beſſer. Es wird halb oder ganz blind, ſeine Weichen und ſein Vorderrücken bluten vom Riemenwerke, ſein Bau von Bremſenſtihen. Ein armer, roher Bauer hat es für wenige Thaler auf Leben und Tod gekauft; es wird noh einige Jahre lang mit Stroh gefüttert, angeflucht, mit den groben Schuhen in die Rippen geſchlagen und zuleßt, wenn es zehnmal auf der Straße erlegen, totgeſtochen, oder es trepiert endlih. Das iſt der Fluh mancher Pferde, und dieſen Fluh trägt mancher edle Hund, mancher Vär, mancher Büffel, manches andere Tier. Tagelöhner ſind auch ſie, und ihr Leben iſt ein immerwährender Streit auf Erden. Von den höchſten Stufen der Ehre ſteigen ſie zur tiefſten Schande herab; ihr Daſein geht vom üppigſten Überfluſſe bis zum nagendſten Hunger, von raſcher Jugendfülle und Blüte zur elendeſten Krankheit und Altersſ{<wäche herab. Glüdlih, daß wenigſtens das tiefſtehende Tier ſeinen Lebensflu<h niht erkennt, traurig, daß der Menſch vergeſſen kann, daß die höheren Tiere ſehr wohl zwiſchen guter und ſ<le<hter Behandlung unterſcheiden lernen !
„Andere Tiere aber leben in Glü> und Freude von Anfang an bis zu Ende. Manches Hündchen wird wie ein Kind geliebt, gekoſt, geküßt, zu Tiſche geladen, koſtbar geſpeiſt, Ärzten übergeben, beweint, begraben; mancher gelehrige und gutmütige Hund hat ein Schi ſal, deſſen Glü> dasjenige der meiſten Menſchen übertrifft, ſo daß er ſagen müßte: das Los iſt mix gefallen auf das lieblichſte, mix iſt ein ſ<önes Erdenteil geworden. Er darf mit tanzen, mit denken, mit reiſen, mit genießen, furz, ſoweit er fann, gerade wie ein