Brehms Tierleben eallgemeine Kunde des Tierreichs : mit 1800 Abbildungen im Text, 9 Karten und 180 Tafein in Farbendruck und Holzschnitt 1/2

652 Achte Ordnung: Zahnarme; erſte Familie: Faultiere.

der Jndianer dazu gehört, um ein ſchlafendes Faultier aufzufinden. Übrigens ſind die Tiere doh niht ſo ganz wehrlos, wie es auf den erſten Blik hin ſheinen mag. Auf dem Baume iſt ihnen natürlih ſ{<wer beizukommen, und wenn ſie auf dem Boden überraſcht und angegriffen werden, werfen ſie ſih {nell genug noh auf den Rüken und faſſen ihren Angreifer mit den Krallen; die Kraft ihrer Arme iſt jedenfalls ſehr beträhtlih. Selbſt ein ſtarker Mann hat Mühe, ſi< von der Umklammerung zu befreien oder das Tier von dem Baumaſte loszureißen, an welchen es ſi< angeklammert hat; falls man nicht einen Fuß nah dem anderen loshakt und ſodann feſthält, gelingt leßteres überhaupt nicht.

Über das Gefangenleben der Faultiere war bis jegt wenig bekannt. Man mußte glauben, daß es überaus {wer wäre, ſie längere Zeit am Leben zu erhalten, und hielt daher, wenn auh niht alle, ſo doh ſehr viele von den Fabeln, welche über diefe merkwürdigen Geſchöpfe im Umlaufe ſind, für wahr. Buffon erzählt, daß der Marquis von Montmirail ein Faultier in Amſterdam kaufte, wel<hes man bisher im Sommer mit zartem Laube und im Winter mit Schiffszwieba> ernährt hatte. Von den Reiſenden erfahren wir, daß man ſih kaum ein ungemütlicheres Geſchöpf denken könne als ein gefangenes Faultier. Tagelang hänge es an einem Stoke oder Strike, ohne auh nur das geringſte Verlangen nah Nahrung auszudrü>ken. Man wird ſih nun meine Freude vorſtellen können, als ich in Amſterdam ein lebendes Faultier und ſomit Gelegenheit fand, eigene Beobachtungen anzuſtellen. Später gelang es mix, mehrere Faultiere zu erwerben und meine Beobachtungen zu vervollſtändigen. Jh will niht ſo kühn ſein, zu behaupten, daß leßtere auh für das Freileben entſcheidend ſein ſollen; ſo viel aber kann ih behaupten, daß die Faultiere niht durchaus traurige und langweilige Geſchöpfe, ſondern im Gegenteile feſſelnde und in vieler Hinſiht würdige Mitglieder einer Tierſammlung ſind.

„Kees“, ſo hieß das in Amſterdam lebende Faultier, bewohnte ſeinen Käfig bereits ſeit 9 Fahren und befand ſich jedenfalls ſo wohl in der Gefangenſchaft wie andere Tiere auch. Wer jemals Säugetiere lebend gehalten hat, weiß, daß er ſehr froh ſein kann, wenn ſeine Gefangenen dur<ſ<hnittlih 9 Fahre am Leben bleiben, und wer noch einigermaßen die zahnarmen Tiere kennt, wird zugeſtehen müſſen, daß ſolche Zeit für ein Mitglied dieſer Drdnung ſicherlich hoh iſt. Der Käfig, in welhem Kees gehalten wurde, hatte in der Mitte ein Holzgerüſt, an welchem ſein Bewohner emporklettern konnte, war unten di> mit Heu ausgepolſtert, wurde nah den Seiten hin durch ſtarke Glasſcheiben abgeſchloſſen und wax von obenher offen. Fn ähnlicher Weiſe habe auh ih meine Gefangenen gehalten.

Wenn man bei Tage den Tieren einen Beſuch abſtattet, ſieht man in dieſem Glaskaſten nux einen Ballen, welcher lebhaft an einen Haufen von tro>enem Riedgraſe erinnert. Dieſer Ballen erſcheint formlos, weil man von den Gliedmaßen der Faultiere eigentlich ſo gut wie nichts gewahrt. Bei genauerer Betrachtung ergibt ſich, daß ſie ihre gewöhnliche Ruhe- oder Schlafſtellung angenommen haben. Der Kopf iſt auf die Bruſt herabgebogen, ſo daß die Schnauzenſpiße unten auf dem Bauche aufliegt, und wird durch die vorgelegten Arme und Beine vollſtändig verde>t. Die Gliedmaßen nämlih liegen dicht aufeinander, ein Bein immer mit dem anderen abwehſelnd, und ſind ſo ineinander verſhränkt, daß man zwiſchendurch nicht ſehen kann. Gewöhnlich ſind die Krallen eines oder zweier Füße um eine Stange des Gerüſtes geſchlagen; nicht ſelten aber faßt das Faultier mit den Krallen des einen Fußes den anderen Oberarm oder Schenkel und verſchlingt ſih hierdurch in eigentümlicher Weiſe. So ſicht man von den Kopfteilen niht das geringſte, kann niht einmal unterſcheiden, wo der Numpf in den Hals und dieſer in den Kopf übergeht: kurz, man hat eben nur einen Haarballen vor ſih, und muß ſchon ret ſcharf hinſehen, wenn man erkunden will, daß dieſer Ballen ſich langſam auf und nieder ſenkt. Gegen die Zuſchauer ringsum, welche dur Klopfen, Rufen und ſchnelle Bewegungen mit den Händen irgend wel<he Wirkungen