Brehms Tierleben eallgemeine Kunde des Tierreichs : mit 1800 Abbildungen im Text, 9 Karten und 180 Tafein in Farbendruck und Holzschnitt 1/2
Unau und Aî. Ameiſenbären. 657
Tóöne, einen höher als den anderen, und immer tiefer, als wenn jemand mit fallender Stimme ſpräche: la, la, ſol, fa, mer, re, at. So ſagt es ſe<smal: ha ha ha ha ha ha, daß man ſehr wohl von ihm ſagen kann, es hätte zur Erfindung der Tonleiter Veranlaſſung geben fönnen. Hat es einmal geſungen, ſo wartet es eine Zeitlang und wiederholt dann dasſelbe, aber nur bei Nacht, und darum, ſowie ſeiner kleinen Augen wegen, halte ih es für ein Nachttier. Bisweilen fangen es die Chriſten und tragen es nah Hauſe; dann läuft es mit ſeiner natürlihen Langſamkeit und läßt ſih weder dur<h Drohungen noh Stöße zu größerer Schnelligkeit bewegen, als es ohne äußere Anreizung ſonſt zu beſizen pflegt. Findet es einen Baum, ſo klettert es ſogleih auf die höchſten Äſte des Wipfels und bleibt daſelbſt 10, 12, ja 20 Tage, ohne daß man weiß, was es frißt. Jh habe es auch zu Hauſe gehabt, und na< meiner Erfahrung muß es von der Luft leben; dieſer Meinung ſind auh no< viele andere auf dieſem Feſtlande, denn niemand hat es irgend etwas freſſen ſehen. Es wendet auh meiſtens den Kopf und das Maul nach der Gegend, woher der Wind weht, woraus folgt, daß ihm die Luft ſehr angenehm ſein muß. Es beißt niht und kann es auh niht, wegen ſeines ſehr kleinen Maules, iſt au< niht giftig. Übrigens habe ih bis zur Stunde kein ſo dummes und kein ſo unnüges Tier geſehen wie dieſes.“
Man ſieht, daß der genannte Berichterſtatter im ganzen gut beobachtet hat; denn vieles von dem, was er ſagt, iſt vollkommen begründet, und das übrige Fabelhafte von ihm eben auh nur als glaubhaft aufgenommen. Übertreibungen werden erſt ſpäter vorgebracht, beiſpiel8weiſe von Stedmann. Dieſer ſagt, daß das Faultier oft 2 Tage brauche, um auf den Wipfel eines mäßigen Baumes zu gelangen, und daß es dieſen niht verlaſſe, ſolange es etwas zu freſſen finde. Während des Hinaufklimmens verzehre es nur, was ihm zur Reiſe nötig ſei, im Wipfel angekommen, entblöße es dieſen aber gänzlich. So thue es,- um niht zu verhungern, wenn es wieder auf die unteren Äſte komme, um einen anderen Baum aufzuſuchen; denn hätte es den unteren Teil des Wipfels abgefreſſen, ſo müſſe es den Beſchwerden der Reiſe nah anderen Bäumen natürlih unterliegen. Einige ſagen auch, daß es, um ſih die Mühe zu erſparen, ſeine Glieder zu bewegen, ſih zuſammenkugele und vom Baume falle. Spätere Reiſebeſchreiber erwähnen no<h hier und da des merfwürdigen Ge[höpſes, und jeder bemüht ſich, die alten Fabeln wieder aufzuwärmen und womöglich mit neuen Zuſäßen zu bereichern. Erſt der Prinz von Wied gibt klare und vorurteilsfreie Beobachtungen; nah ihm unterrihten uns hauptſählih Quoy und Gaimard und endlih Schomburgk.
Die Ameiſenbären (Myrmecophagidae), welche die zweite Familie bilden, haben äußerlih mit den Faultieren nur geringe Ähnlichkeit. Der Körper iſ geſtre>t, der Kopf und zumal die Shnauze ſtark verlängert; der Schwanz erreicht faſt die Hälfte der Körperlänge. Ein dichter, ſtruppiger, eigentümlicher Pelz de>t den Leib, zumal die Oberſeite. Die hinteren Gliedmaßen ſind ſ{<lank und {<wäher als die vorderen. Beide Füße zeigen im Gerippe fünf Zehen, wel<he jedoch niht ſämtlich mit Krallen bewaffnet ſind. Die Mundſpalte iſt ſehr eng, die Zunge aber lang, dünn und gerundet, an einen Wurm erinnernd. Die Ohren und Augen ſind ſehr klein. Noch auffallender iſt der Schädelbau. Durch die Verlängerung des Antlißteiles wird die Shnauze lang, röhrenförmig; der Zwiſchenkiefer iſt ſehr klein und gekrümmt, mit dem Oberkiefer auh bloß durch Knorpel verbunden. Vergeblich ſucht man nah Zähnen; jede Spur davon fehlt. 15—18 Rückenwirbel tragen Rippen, 26 ſind rippenlos, 4—6 bilden das Kreuz, 29—40 den Schwanz. Die Rippen werden ſo außerordentlich breit, daß ihre Nänder ſich de>en und alle Räume zwiſchen den Knochen
verſhwinden. Das Schlüſſelbein iſt bei zwei Ameiſenbären verkümmert, bei einem anderen Brehm, Tierleben. 3. Auflage. Il, 42