Brehms Tierleben eallgemeine Kunde des Tierreichs : mit 1800 Abbildungen im Text, 9 Karten und 180 Tafein in Farbendruck und Holzschnitt 1/2
656 Achte Ordnung: Zahnarme; erſte Familie: Faultiere.
daß er weit weniger begabt iſt als ſein Verwandter. Jede ſeiner Bewegungen geſchieht mit einer Langſamkeit, welche man mehr als bedächtig nennen muß, eine Freiheit darin, wie man ſie beim Unau wahrnimmt, fehlt ihm gänzlih, und nur in der Sicherheit des Umklammerns fommt er leßtgenanntem gleich, falls er ihn niht no< übertrifft. Einmal angeklammert, hängt er an ſeinem Aſte, als ob er daran ein großer Knorren oder auf das innigſte mit ihm verbunden wäre, und kein Rütteln und Schütteln vermag ihn zu beſtimmen, daß er die einmal angenommene Stellung ändert. Auch die geiſtigen Fähigkeiten ſind geringer als die des Verwandten. Schwerer als dieſer gewöhnt er ſich an eine beſtimmte Perſönlichkeit, betrachtet vielmehr jedermann mit Gleichgültigkeit und läßt, ohne ſi< zur Wehre zu ſegen, alles über ſi<h ergehen. Die Wärme lo>t au< ihn herab auf den durhheizten Boden, ſcheint aber doh weit weniger Einfluß zu üben, was freilih mit ſeinem ungleich dichteren Felle zuſammenhängen mag. Nach und nach bequemt er ſih, aus der Hand Des Wärters ſeine Nahrung zu empfangen, zeigt ſih aber auch hierbei viel träger und gleihgültiger als der Unau. Noch in einem unterſcheidet er ſih von dieſem: er läßt öfters ein ziemlich ſcharfes Pfeifen vernehmen, während der Unau, nah meinen Beobachtungen wenigſtens, ſtumm bleibt wie das Grab. Jedenfalls beweiſt eine Vergleichung der beiden Tiere, daß die einzelnen Arten der Gruppe fkeine8wegs in allem und jedem miteinander übereinſtimmen. Der Nuten, welchen die Faultiere den menſhlihen Bewohnern ihrer Heimat gewähren, iſt außerordentli<h gering. Jn manchen Gegenden eſſen Jndianer und Neger das Fleiſh, deſſen unangenehmer Geruh und Geſhma> den Europäer anekeln, und hier und da bereitet man aus dem ſehr zähen, ſtarken und dauerhaften Leder Überzüge und Taſchen. Schaden können die Tiexe nicht verurſachen, da ſie in demſelben Maße verſhwinden, wie der Menſch ſich ausbreitet. Auch ſie ſtehen auf der Liſte der Tiere, welche einem ſihern Untergange entgegengehen. Nur in den entlegenſten Wäldern vermögen ſie ſih zu halten, und ſolange noh die herrlihen Bäume, welche ihnen Obdach und Nahrung gewähren, verſchont bleiben von der Axt des immer weiter und weiter ſih ausbreitenden Europäers, ſo lange werden auch ſie ihr Leben friſten. y
Es darf uns niht wundern, daß über die abſonderlichen Tiere die wunderbarſten Sagen und Märchen verbreitet wurden. Die erſten Nachrichten, welche wir haben, ſtammen von Oviedo, welcher ungefähr folgendes ſagt: „Der Perico ligero iſt das trägſte Tier, welches man in der Welt ſehen kann. Es iſ ſo {<werfällig und langſam, daß es einen ganzen Tag braucht, um nux 50 Schritt weit zu kommen. Die erſten Chriſten, welche es geſehen, erinnerten ſih, daß man in Spanien die Neger „weiße Hänſe‘ zu nennen pflegte und gaben ihnen daher ſpottweiſe den Namen „hurtiges Hündchen“. Es iſt eins der ſeltſamſten Tiere wegen ſeines Mißverhältniſſes mit allen anderen. Ausgewachſen iſt es zwei Spannen lang und nicht viel weniger di>. Es hat vier dünne Füße, deren Zehen wie die der Vögel miteinander verwachſen ſind. Weder die Klauen noch die Füße ſind ſo beſchaffen, daß ſie den ſchweren Körper tragen können, und daher ſ{hleppt der Bauch faſt auf der Erde. Der Hals ſteht aufre<ht und gerade, iſt gleich di>, wie der Stößel eines Mörſers, und der Kopf ſißt faſt ohne Unterſchied oben darauf, mit einem runden Geſichte, welches dem einer Eule ähnelt und kreisförmig von Haaren umgeben iſt, ſo daß es nur etwas länger als breit erſcheint. Die Augen ſind klein und rund, die Naſenlöcher wie bei den Affen, das Maul iſt klein. Es bewegt den Hals von einer Seite zur anderen, als ob es ſtaune. Sein einziger Wunſch und ſein Vergnügen iſt, ſich an die Bäume zu hängen oder an irgend etwas, wo es "klettern kann, und daher ſieht man es oft an Bäumen, an denen es langſam hinauf: klettert und ſi< immer mit den Klauen feſthält. Sehr verſchieden iſt ſeine Stimme von der anderer Tiere; es ſingt immer nur bei Nacht, und zwar von Zeit zu Zeit, allemal ſe<s