Brehms Tierleben eallgemeine Kunde des Tierreichs : mit 1800 Abbildungen im Text, 9 Karten und 180 Tafein in Farbendruck und Holzschnitt 1/2
660 Achte Ordnung: Zahnarme; zweite Familie: Ameiſenbären.
Die hinteren Glieder ſind bei weitem nicht ſo ſtark gebaut wie die vorderen; ihr Fuß iſt mit fünf Zehen verſehen, deren Nägel bloß 1—2 cm lang, von den Seiten etwas zuſammengedrüdt, ſchwach gebogen und nach vorn gerichtet ſind. Das Tier tritt mit der ganzen Sohle des Hinterfußes auf. Der lange, zottige Schwanz iſt hoh und ſhmal und bildet eine wahre Fahne. Die Zunge, deren Di>ke niht mehr als 0,9 cm beträgt, hat die Geſtalt eines langen, allmählich ſich zuſpizenden Kegels und beſteht aus zwei Muskeln und zwei drüſenartigen Körpern, welche auf ihrer Grundlage ſißen. Sie iſt der Länge nach ſehr ausdehnbar, indem das Tier ſie beinahe 50 cm weit zum Maule herausſtre>en kann.
„Der Yurumi kommt in Paraguay niht häufig vor und bewohnt die menſchenleeren oder doh wenig beſuchten Felder im Norden des Landes. Er hat weder ein beſtimmtes Lager noh ſonſt einen feſten Aufenthaltsort, ſondern ſchweift bei Tage auf den Ebenen umher und ſ{<läft, wo ihn die Nacht überfällt; jedo<h ſucht er zu leßterem Zwecke eine Stelle zu gewinnen, wo das Gras ſehr hoch iſt, oder wo ſich einige Büſche vorfinden. Man trifft ihn gewöhnlih allein an, es ſei denn, daß ein Weibchen ſein Junges mit ſih führe. Sein Gang iſt ein langſamer Schritt oder zuweilen, wenn er verfolgt wird, ein ſ{hwerfälliger Galopp, mit welchem er aber ſo wenig vorrü>t, daß ihn ein Menſch im Schritte einholen tann. Seine Nahrung beſteht einzig und allein aus Termiten, Ameiſen und den Larven von beiden. Um ſi dieſe zu verſchaffen, kraßt und reißt er mit den Nägeln ſeiner Vorderſüße die Baue und die Erdhaufen, welche jenen zur Wohnung dienen, auf, ſtre>t dann ſeine lange Zunge unter die von allen Seiten herzuſtrömenden Kerbtiere und zieht ſie, von ihnen überzogen, wieder in den Mund zurü>. Dieſes wiederholt er ſo lange, bis er geſättigt iſt, oder bis keine Ameiſen oder Termiten mehr zum Vorſchein kommen.
„Der Zeitpunkt der Begattung ſowie die Tragzeit des Weibchens iſt mir unbekannt. Es wirft im Frühjahr ein einziges Junges und trägt dieſes einige Zeit lang mit ſich auf dem Nücken umher. Das Junge ſcheint während mehrerer Monate zu ſaugen und ſoll, wenn es auh ſchon von Kerfen ſi< nähren kann, ſeine Mutter nicht verlaſſen, bis ſie wieder trächtig iſt. Wahrſcheinlih gebraucht es, da ihm die Kraft zum Aufreißen der Termitenhügel no< mangelt, während dieſer Zeit die Hilfe der Mutter, um leichter zu ſeiner Nahrung zu gelangen. Der vorzüglichſte unter den Sinnen des Yurumi iſt der Geruch, deſſen Organe ſehr ausgebildet ſind; auf dieſen folgt das Gehör; das Geſicht ſcheint nur ſ{<wa< zu ſein. Der einzige Laut, den er von ſi< gibt, und nur wenn ex in Zorn gerät, iſt eine Art von Brummen. Es iſt ein ſtilles, ſriedlihes Tier, welhes weder dem Menſchen noch den anderen Säugetieren den geringſten Schaden zuzufügen ſucht, es ſei denn, daß es heſtig gereizt werde. Man kann den Yurumi auf offenem Felde weite Stre>en vor ſich hertreiben, ohne daß er widerſteht. Wird er aber mißhandelt, ſo ſebt er ſih, wie ſhon Azara bemerkt, auf die Sigbeine und die Hinterfüße und breitet die Arme gegen ſeinen Feind aus, um ihn mit ſeinen Nägeln zu faſſen.
„Jh habe lange Zeit einen Yurumi beſeſſen, welcher noh kein Fahr alt wax, als ih ihn erhielt. Man hatte ihn in einer Meierei am linken Ufer des Nexay zugleih mit ſeiner Mutter eingefangen, welche aber nah wenigen Tagen ſtarb. Jh zog ihn mit Milch, Ameiſen und geha>tem Fleiſhe auf. Die Milh nahm er ſ{hlürfend zu ſih oder auch, indem er die Zunge darin badete und ſie dann mit der wenigen, ihr anhangenden Flüſſigkeit in den Mund zurückzog. Die Ameiſen ſuchte er im Hofe und in den Umgebungen des Hauſes auf. Sowie er einen Haufen ausgewittert hatte, fing er glei an, ihn aufzukraßen, und that dies ſo lange, bis deſſen Bewohner in großer Anzahl zum Vorſchein kämen; dann wälzte er ſeine Zunge unter ihnen herum und zog ſie, mit Hunderten von ihnen überſäet, in den Mund zurü>. Azara behauptet, daß der Yurumi ſeine Zunge in einer Sekunde zweimal ausſtre>e und zurüdziehe, was aber bei dem meinigen nicht der Fall war, indem