Brehms Tierleben eallgemeine Kunde des Tierreichs : mit 1800 Abbildungen im Text, 9 Karten und 180 Tafein in Farbendruck und Holzschnitt 1/2

Yurumi: Bewegung. Weſen. Nahrung. Verbreitung. 661

ex, um dieſes nux einmal zu bewerkſtelligen, ſhon mehr als eine Sekunde brauchte. Die Ameiſen bleiben übrigens nicht ſowohl, wie von den meiſten Schriftſtellern angeſührt wird, auf der Zunge kleben, als daß ſie ſi zu ihrer Verteidigung mit ihren Freßzangen auf derſelben anfklammern, was ſie immer thun, wenn ſie, gereizt, auf einen fremden Körper ſtoßen. Die ſchwachen und wehrloſen Termiten hingegen werden auf dem klebrigen Überzuge der Zunge wie auf einer Leimrute feſtgehalten. Mein Yurumi fraß nicht alle Arten von Ameiſen gleih gern, ſondern liebte beſonders diejenigen, welhe weder große Freßzangen no< Stacheln beſißen; eine ganz leine Art, welche einen ſehr ſtinkenden Geruch von ſich gibt, verſhmähte er gänzlih. Das fein gehactte Fleiſch, mit dem ih ihn zuweilen ernährte, mußte ihm anfangs in den Mund geſtoßen werden; ſpäter aber nahm er es wie die Ameiſen vermittelſt der Zunge zu ſi.

„Die Hälfte des Tages und die ganze Nacht brachte er ſchlafend zu, ohne ſih dafür einen eigenen Plas zu wählen. Er ſ<lief auf der Seite liegend und etwas zuſammengerollt, indem er den Kopf zwiſchen die Vorderbeine ſte>te, die Glieder einzog, ſo daß ſie ſih berührten, und ſih mit dem Schwanze bede>te. War er wach, ſo ging ex im Hofe umher und ſuchte Ameiſen. Da ex anfangs nicht nur die Zunge, ſondern auch die Schnauze in die aufgeſcharrten Haufen ſte>te, ſo liefen ihm zuweilen die Kerfe über die Naſe hinauf, wo er ſie dann mit den Vorderfüßen recht gut wieder abzuſtreifen wußte. Er beſaß, ſo jung er auch war, große Kraft. Jh vermochte niht, mit meinen Händen ſeine zwei größeren Nägel an dem Vorderſuße zu öffnen, wenn er ſie gegen die Fußſohle angedrü>t hatte. Er zeigte mehr Verſtand, als man bei den anderen ſogenannten zahnloſen Säugetieren antrifft. Dhne die Menſchen voneinander zu unterſcheiden, war er doch gern um ſie, ſuchte ſie auf, gab ſi ihren Liebkoſungen mit Vergnügen hin, ſpielte mit ihnen und kletterte ihnen beſonders gern in den Schoß. Folgſam war er übrigens niht und gehorchte nur ſelten dem Rufe, obſchon man an den Bewegungen ſeines Kopfes wohl ſah, daß er ihn verſtanden hatte. Er vertrug ſih mit allen Haustieren und ließ ſi von einigen Vögeln, wie von den Helm- und Hökerhühnern, welche ih gezähmt hatte, manchen kleinen Angriff gefallen, ohne ſi< zu erzürnen. Wurde er aber mißhandelt, ſo fing er an zu murren und ſuchte ſi< mit den Klauen feiner Vorderfüße zu verteidigen.

„Fleiſch und Fell des Yurumi werden bloß von den wilden Fndianern benutßt; jedo<h gibt es Landleute in Paraguay, welche das letztere, unter das Betttuch gelegt, für ein untrüglihes Mittel gegen das Lendenweh halten und es auh dagegen gebrauchen. Selten macht jemand auf dieſen Ameiſenfreſſer Jagd; trifft man ihn aber zufälligerweiſe auf dem Felde an, ſo iſt es ein Leichtes, ihn mit jedem Sto>e durch einige Schläge auf den Kopf zu töten. Dieſe Tiere ſollten übrigens vom Menſchen eher beſhüßt als verfolgt werden; ſtatt ſhädli< zu ſein, gewähren ſie im Gegenteile großen Nugzen, indem ſie die Termiten und die Ameiſen vermindern, welche in einigen Gegenden von Paraguay ſo überhandgenommen haben, daß dort feine Pflanzungen gedeihen können. Der Faguar und der Kuguar ſind neben dem Menſchen wohl die einzigen Feinde des Yurumi. Die fabelhaften Erzählungen der Einwohner von Paraguay über Kämpfe, welche zwiſchen ihm und dem Jaguar ſtattfinden ſollen, hat {hon Azara widerlegt.“

Von anderen Naturforſchern erfahren wir, daß der Ameiſenfreſſer außer in Paraguay faſt den ganzen übrigen Oſten von Südamerika bewohnt und ſih daher vom La Plataſtrome bis zum Karibiſchen Meere verbreitet. Beim Gehen ſoll er den Kopf zur Erde ſenken und mit der Naſe auf den Boden hinſ<hnuppern. Den Schwanz trägt er dabei geradeaus geſtre>t, aber die Nü>kenmähne hoch empor geſträubt, ſo daß er weit größer erſcheint, als er wirklich iſt. Außer Ameiſen und Termiten haben neuere Beobachter auh noch viele Erde und Holzteile in ſeinem Magen gefunden, welche das Tier beim Aufnehmen der Ameiſen