Brehms Tierleben eallgemeine Kunde des Tierreichs : mit 1800 Abbildungen im Text, 9 Karten und 180 Tafein in Farbendruck und Holzschnitt 1/2
668 Achte Drdnung: Zahnarme; dritte Familie: Gürteltiere,
innerhalb derſelben Art \<wankt die Anzahl erheblih. Fm allgemeinen läßt ſich ſagen, daß dieſe Anzahl nie unter 8 in jeder Reihe beträgt und bis 26 in der einen und 24 in der anderen Reihe ſteigen kann, wodur< dann ein Gebiß von 96—100 Zähnen gebildet wird. Hier kann man allerdings niht von Armut reden; allein die Wertloſigkeit diefer Gebilde iſt ſo groß, daß ſie eigentlih aufgehört haben, Zähne zu ſein. Sie haben die Form ſeitlih zuſammengedrü>ter Walzen, beſißen nur im Milchgebiſſe einer Gattung e<te Wurzeln, ſind höchſtens von einer dünnen Shmelzſchiht umgeben und ändern auh in der Größe außerordentli<h ab. Gewöhnlih nehmen ſie vom erſten bis gegen den mittelſten hin an Größe zu und dann wieder nah hinten allmählih ab; aber auc dies Verhältnis iſt nict regelmäßig. Zudem ſind die Zähne ungemein {<wa<h. Sie greifen zwar ineinander ein, allein das Tier iſt nicht im ſtande, kräftig zuzubeißen oder zu kauen. Die Zunge ähnelt der wurmförmigen der Ameiſenbären, kann jedoch niht ſo weit aus dem Maule hervorgeſtre>t werden und iſt auch viel kürzer als bei dieſen, dreikantig zugeſpißt und mit kleinen, pilz- und fadenförmigen Warzen beſeßt. Außerordentlih große Speicheldrüſen im Unterkiefer überziehen ſie beſtändig mit Ülebrigem Schleime. Der Magen iſt einfa, der Darm hat die 8$—11fa<he Leibeslänge. Die Schlagadern bilden hier und da Wundernete, aber niht in der Ausdehnung wie bei den Faultieren. Gewöhnlich ſind zwei, ſeltener vier Milchdrüſen vorhanden.
Alle Gürteltiere ſind Bewohner des ſüdamerikaniſchen Reiches bis hinauf nah Mexiko. Sie leben in ſpärlih bewachſenen und ſandigen Ebenen, auf Feldern, und kommen bloß am Saume der Wälder vor, ohne in dieſe einzudringen. Nur während der Paarung finden ſih mehrere der gleichen Art zuſammen; während der übrigen Jahreszeit lebt jedes Gürteltier für ſih, ohne ſi< um die übrigen Geſchöpfe, mit Ausnahme derer, welche zu ſeiner Nahrung dienen ſollen, viel zu kümmern. Alle Arten verbergen ſih bei Tage ſoviel wie möglih und wühlen ſih deshalb Gänge, die meiſten niht eben ſolhe von großer Ausdehnung; eine Art aber lebt wie der Maulwurf unterirdiſch. Die übrigen graben ſich ihre Baue am allerliebſten am Fuße großer Ameiſen- und Termitenhaufen, und dies aus dem ſehr leicht einleuhtenden Grunde, weil ihre Nahrung vorzugsweiſe in Kerbtieren und deren Larven, namentli< auch in Ameiſen, beſteht. Würmer und Schne>en werden gelegentlich mit aufgenommen; in Fäulnis übergegangenes Aas wird ebenſowenig verſ<hmäht; manche nehmen au< gern Pflanzenkoſt.
Mit Beginn des Abenddunkels erſcheinen die gepanzerten Geſellen vor ihren tiefen, unterirdiſhen Bauen und ſtrol<hen eine Zeitlang umher, ſi langſamen Schrittes von einem Orte zu dem anderen bewegend. Der flache Boden iſt ihr eigentliches Reih; hier ſind ſie zu Hauſe wie wenig andere Tiere. So langſam und träge ſie ſcheinen, wenn ſie gehen oder ſich ſonſt bewegen, ſo {nell und behend ſind ſie, wenn es gilt, ſich in die Erde zu graben. Aufgeſcheucht, erſhre>t und verfolgt wiſſen ſie nihts anderes zu thun, als ſich ſo re<t im eigentlihen Sinne des Wortes der Erde anzuvertrauen. Und ſie verſtehen das Graben wirkli< ſo meiſterhaft, daß ſie buchſtäblich vor ſichtlichen Augen ſich verſenken können. Jhre außerordentliche Wehrloſigkeit würde ſie ihren Feinden ſ{hugßlos überliefern, wenn ſie niht dieſe Art der Flucht auszuführen verſtänden. Eine Art beſitzt das Vermögen, ſi in eine Kugel zuſammenzurollen, wie unſer Jgel, thut dies jedoh bloß im alleräußerſten Notfalle und beginnt wieder ſobald wie möglich ſi in die Erde zu vergraben und zu verſte>den. Jm Waſſer wiſſen die anſcheinend ſo ungefügen Tiere ſi< übrigens ebenfalls zu behelfen: Henſel ſagt, daß ſie ſogar recht gut ſ<wimmen und zwar mit ſ{hnellem Rudern nah Art eines Maulwurfes.
Die Gürteltiere ſind harmloſe, friedliche Geſchöpfe von ſtumpfen Sinnen, ohne irgend welche hervorragende geiſtige Fähigkeiten, alſo durhaus niht geeignet, mit den Menſchen zu verkehren. Der, welcher ſie geſehen hat, muß nah kurzer Beobachtung überzeugt ſein,