Brehms Tierleben eallgemeine Kunde des Tierreichs : mit 1800 Abbildungen im Text, 9 Karten und 180 Tafein in Farbendruck und Holzschnitt 1/2

Sechsbindengürteltier: Fortpflanzung. Jagd. Gefangenleben. 673

Stoke ſo lange vergrößert, bis ſie weit genug iſt, daß er ihn am Schwanze ergreifen fann. Hält ſi der Tatu in einem tieſeren Baue auf, ſo läßt ſich dieſes Verfahren freilih nicht anwenden; denn hier liegt er nicht weit von der Mündung des Baues auf einem Lager von Blättern und flieht niht, auh wenn die Hunde ſchon am Loche zu arbeiten beginnen. Erſt wenn man einen Halm oder Sto> hineinſte>t, eilt er brummend und polternd in die Tiefe. Hat man Waſſer in der Nähe, ſo füllt man oft erfolgreich die Röhre mit dieſem an und nötigt dadur< das Tier, den Bau zu verlaſſen, oder man richtet an deſſen Mündung eine Falle her, welche es beim Heraustreten erſchlägt.

Bei der Unmaſſe von Höhlen, welche man da findet, wo die Tiere häufiger ſind, würde es ſchwer ſein, die bewohnten von den verlaſſenen zu unterſcheiden , wüßten die geübten Sndianer nicht kleine Anzeichen zu deuten. Nach den bewohnten Höhlen hin ſieht man eine eigentümliche Spur im Sande verlaufen, eine kleine, ſeihte Rinne nämlich, welche von dem naſchleppenden Shhwanze gezogen wird. Vor der Höhle findet man auch gewöhnlich den Kot des Bewohners, weil dieſer nie im Jnneren des Baues abgelegt wird, und endlich bemerkt man in allen Höhlen, welche gerade Tatus beherbergen, eine Menge von Stehmücken ſ{<wärmen, — jedenfalls in der Abſicht, dem wehrloſen Panzerträger an den nihtgeſchüßten Teilen ſeines Leibes Blut abzuzapſen. Dieſe Anzeichen genügen erfahrenen Fägern vollſtändig. Alle Gürteltiere ſind den Südamerikanern verhaßte Geſchöpfe, weil ſie vielfache Unfälle verſchulden. Die kühnen Reiter der Steppen, welche den größten Teil des Lebens auf dem Pferde zubringen, werden dur die Arbeit der Gürteltiere hier und da arg beläſtigt. Das Pferd, welches in geſtre>tem Galopp dahinjagt, tritt plößlich in eine Höhle und kann nebſt dem Reiter verunglü>en. Deshalb verfolgen die Eigentümer aller Meiereien die armen Panzerträger auf das erbittertſte und grauſamſte. Außer den Menſchen ſtellen ihnen die größeren Katenarten, der braſiliſhe Wolf und der Schakalfu<hs nach; doh ſcheinen ihnen alle dieſe Feinde nicht eben viel Schaden zu thun, da ſie an Orten, wo der Menſch ſie in Nuhe läßt, immer in großer Anzahl vorkommen.

Selten werden in Paraguay Tatus aufgezogen. Sie ſind zu langweilige und ihres Grabens wegen auch zu ſchädliche Hausgenoſſen, als daß ſi<h der Menſch mit ihnen beſonders befreunden könnte. Am Tage halten ſie ſich in einem Winkel ihres Käfigs ganz ruhig, ziehen die Beine unter ihren Panzer zurü> und ſenken die ſpißige Schnauze gegen den Boden, lieben es, wie Haacke mitteilt, aber auh, auf dem Rücken liegend und alle viere in die Luft geſtre>t/ zu ſchlafen, wobei ſie oft krampfhafte, zitternde Bewegungen machen. Bei einbrehender Nacht beginnen ſie umherzulaufen, nehmen die ihnen vorgelegte Nahrung zu ſich und verſuchen von Zeit zu Zeit mit ihren Nägeln ein Loh auszuſharren. Läßt man ſie in einem Hofe frei, ſo wühlen ſie ſi< zuweilen {hon bei Tage, gewiß aber in der erſten Nacht in die Erde ein und leben dann wie im Zuſtande der Freiheit, d. h. zeigen ſih bloß bei Nacht und graben ſich alle 3 oder 4 Tage eine neue Höhle. Niemals beweiſen ſie dur< irgend eine Handlung, daß ſie erheblichen Verſtand beſißen. Die Menſchen ſcheinen ſie kaum von anderen Geſchöpfen, mit denen ſie leben, zu unterſcheiden; doh gewöhnen ſie ſih daran, von ihm berührt und herumgetragen zu werden, während ſie vor Hunden und Kaßen zu fliehen ſuchen. Erſchre>t man ſie dur< einen Schlag oder ſtarken Laut, ſo ſpringen ſie einige Schritte weit fort und verſuchen ſogleih ein Loch zu graben; werden ſie gene>t, ſo gebrauchen ſie, nah Haae, ihren Stirnpanzer, den ſie gegen den Störenſried anſtemmen, als hauptſächlichſte Verteidigungswaffe. Jn ihrem Laufe achten ſie weder auf lebloſe Gegenſtände no< auf lebende Tiere, welche ihnen im Wege liegen, ſondern rennen über alles hinweg. Unter ihren Sinnen ſteht der Geruch obenan, das Gehör iſt ſhwächer, und die Augen werden vom hellen Sonnenſchein vollſtändig geblendet, ſind auh in der Dämmerung nur zum Beſchauen ganz nahe liegender Gegenſtände befähigt.

Brehm, Tierlcben. 3. Auflage. II. 43