Brehms Tierleben eallgemeine Kunde des Tierreichs : mit 1800 Abbildungen im Text, 9 Karten und 180 Tafein in Farbendruck und Holzschnitt 1/2
692 Achte Ordnung: Zahnarme; fünſte Familie: Erdferkel.
zwar ebenſowohl in den mit dünnem Walde beſtandenen Niederungen wie in den weiten, mit hohem Graſe bewachſenen Flächen, wo ſi<h nur wenige Büſche finden, habe i< ſeine Höhlen oft geſehen und viel von ſeiner Lebensweiſe vernommen, das Tier jedo< niemals zu Geſicht bekommen. Die Nomaden nennen es Abu-Delaf oder Vater, Beſißer der Nägel, und jagen ihm eifrig nah. Erſt von Heuglin war ſo glü>li<h, eines dieſer Tiere lebendig zu erhalten, und konnte auch über die Lebens3weiſe genauere Nachrichten geben. Von ihm erfuhr ih ungefähr folgendes: Das Erdſchwein {läſt den Tag über in zuſammengerollter Stellung in tiefen, ſelbſtgegrabenen Erdlöchern, welche es gewöhnlih hinter ſich zuſcharrt. Gegen Abend begibt es ſih ins Freie, um ſeiner Nahrung nahzugehen. Es läuft keineswegs beſonders raſh, führt aber dabei ganz eigentümliche und ziemli<h weite Sprünge aus. Dabei berührt es mit der ganzen Sohle den Boden, trägt den Kopf mit den rü>Cwärts gelegten Ohren ſenkre<ht gegen die Erde gerichtet, den Rücken gekrümmt, und ſ{leppt den Schwanz zux Erhaltung des Gleichgewichtes mehr oder weniger auf dem Boden fort. Die Schnauzenſpite geht ſo dicht über leßterem hin, daß der Haarkranz, welcher die Naſenlöcher umgibt, ihn förmlich fegt. Von Zeit zu Zeit ſteht es ſtill, um zu horchen, ob kein Feind in der Nähe iſt, dann geht es weiter. Dabei wird augenſcheinlih, daß Geruch und Gehör die ausgebildetſten Sinne ſind; denn ebenſoviel, wie es mit den Ohren arbeitet, gebraucht es die Naſe. Den Naſenkranz ſchnellt es durch eine raſhe Bewegung der Naſenhaut beſtändig hin und her, und hier und dort richtet es prüfend die lange Schnauze empor, um ſ{<nuppernd ſeiner Beute na<hzuſpüren. So geht es fort, bis es die Spur einer Ameiſenheerſtraße findet. Dieſe wird verfolgt bis zum Baue der Ameiſen, und dort beginnt nun die Jagd, ganz nah Art der Gürteltiere oder no< mehr der eigentlihen Ameiſenfreſſer.
Es beſißt eine unglaubliche Fertigkeit im Graben. Wenige Augenbli>e genügen ihm vollkommen, um ſi<h gänzlich in die Erde einzuwühlen, der Boden mag ſo hart ſein, wie er will. Beim Graben arbeitet es mit den ſtarken Krallen der Vorderfüße und wirft große Erdklumpen mit gewaltiger Kraft rü>wärts; mit den Hinterfüßen ſchleudert es dann die losgeworfene Erde ſo weit hinter ſih, daß es in einen förmlihen Staubregen eingehüllt wird. Wenn es an einen Ameiſen- oder Termitenbau kommt, beſ{<nuppert es ihn zuerſt ſorgfältig von allen Seiten; dann geht das Graben los, und das Tier wühlt ſih in die Erde, bis es auf das Hauptneſt oder wenigſtens einen Hauptgang der Kerfe gerät. Fn ſolche Hauptgänge, welche bei den Termitenhügeln meiſt 2 em im DurGmeſſer haben, ſte>t nun das Erdferkel ſeine lange, klebrige Zunge, läßt ſie voll werden, zieht ſie dann mit den Ameiſen zurü> und wiederholt dies ſo lange, bis es ſi vollkommen geſättigt hat. Manchmal ſ{<{lürft es auh geradezu mit den Lippen Hunderte von Ameiſen auf einmal ein; in dem eigentlichen Neſte der Termiten aber, in welchem Millionen dieſer Kerfe durheinander wimmeln, frißt es faſt wie ein Hund, mit jedem Biſſen Hunderte zugleich verſchlingend. So geht es von einem Baue zum anderen und richtet unter dèn alles verwüſtenden Termiten nun ſeinerſeits die größte Verheerung an. Mit dem Grauen des Morgens zieht es ſi in die Erde zurü>, und da gilt es ihm nun ganz gleich, ob es ſeine Höhle findet oder niht; denn in wenig Minuten hat es ſich ſo tief eingegraben, als es für nötig findet, um den Tag in vollſter Sicherheit zu verbringen. Erſcheint die Höhle noh nit tief genug, ſo gräbt es bei herannahender Gefahr weiter. Es iſt keinem Feinde möglich, ihm nath in die Höhle einzudringen, weil es die ausgeſcharrte Erde mit ſo großer Kraft nach hinten wirft, daß jedes andere Tier ſi beſtürzt zurückzieht. Selbſt für den Menſchen hält es ſ{hwer, ihm nachzugraben, und jeder Jäger wird nah wenigen Minuten vollſtändig von Erde und Sand bede>t.
Das Erdferkel iſt außerordentlich vorſichtig und ſcheu und vergräbt ſi< auh nachts bei dem geringſten Geräuſche unverzüglih in die Erde. Sein Gehör läßt es die Ankunft