Brehms Tierleben eallgemeine Kunde des Tierreichs : mit 1800 Abbildungen im Text, 9 Karten und 180 Tafein in Farbendruck und Holzschnitt 1/3, str. 257

Mufflon: Lebensweiſe. Fortpflanzung. Zähmbarkeit. Blendlinge. 2293

gelten. Beim Treiben benehmen ſi< Mufflons ähnlih wie Gemſen; einzeln kommen ſie ſehr flüchtig und in langen Säten, zu mehreren aber langſamer und in kurzen Sprüngen, dabei zeitweilig haltend und ſihernd. Bei ſtarkem Schneefalle ziehen ſie ſi<h na< der Tiefe und miſchen ſi<h ſogar unter die Herden. Das Wildbret iſt ein auserleſenes Gericht, da es den würzigen Geſc; ma> des Wildbrets mit dem des Hammelfleiſches vereinigt. Ende Mai beginnt die Feiſtzeit des Mufflons, welcher dann faſt ebenſoviel Fett angeſeßt hat wie ein halbgemäſteter Hammel. Als beſonderer Le>erbiſſen gilt das gereinigte, ſtri>artig zuſammengedrehte und gebratene Gedärm, welches Corda genannt wird. Außer dem Wildbret verwendet man Fell und Gehörn; höher als alles zuſammen aber wertet man Bezoare, welche man dann und wann in dex erſten Abteilung des Magens findet und als unfehlbar wirïtendes, ſhweißtreibendes Mittel betrachtet.

Alte, erwachſene Mufſlons fängt man wohl nie, junge nur, nahdem man ihre Mutter weggeſchoſſen hat. Sie gewöhnen ſi, laut Cetti, bald an ihren Pfleger, bewahren aber ungeachtet der großen Zahmheit, welche ſie erlangen, immer die Munterkeit und das gewandte Weſen, welches die wilden ſo auszeihnet. Auf Sardinien und Corſica trifft man in den Dörfern häufig gezähmte Mufflons an; einzelne zeigen ſi< ſo anhänglih an den Menſchen, daß ſie ihm, glei einem Hunde, auf allen Pfaden folgen, auf den Ruf hören 2c. Nur dur ihren Mutwillen werden ſie läſtig. Sie dur<ſtöbern alle Winkel im Hauſe, ſtürzen dabei Geräte um, zerbrechen die Töpfe und treiben no< anderen Unfug , zumal in denjenigen Räumen des Hauſes, über welche ſie unumſchränkte Herrſchaft haben. Alte Böke werden manchmal wirklih bösartig und laſſen ſi< ſelbſt dur< Züchtigung niht bändigen, verlieren überhaupt alle Scheu vor dem Menſchen, ſobald ſie ihn kennen gelernt, und kämpſen dann ni<t bloß zur Abwehr, ſondern aus reinem Übermute mit ihm. Alle von mir beobachteten Gefangenen haben mir bewieſen, daß ſie ſhwachgeiſtig, ohne Urteilsfähigkeit und ſehr vergeßlih ſind. Jh legte ihnen Fallen und lo>te ſie dur vorgehaltenes Futter hinein. Sie gingen ohne Beſinnen immer wieder in die Schlingen und Neve, obgleich es ihnen höchſt unangenehm zu ſein ſchien, wenn ſie ſih gefangen hatten. Ein gewiſſer Ortsſinn, ſhwache Erinnerung an empfangene Wohlthaten, Anhänglichkeit an die gewohnten Genoſſen und Liebe zu den Jungen: das ſind die Anzeichen geiſtiger Thätigkeit, welche ih an ihnen beobachtet habe.

Schon die Alten wußten, daß Mufflon und Hausſchaf ſi fruhtbar vermiſchen, niht aber, daß auch die Vlendlinge, von ihnen Umber genannt, unter ſih oder mit anderen Hausſchafen wiederum fruchtbar ſind. Beide Tiere ſcheinen, wie Cetti ſih ausdrü>t, zu ſühlen, „daß ſie eines Geblütes ſind, und alles Unterſchiedes ungeachtet ihren gemeinſchaftlichen Urſprung eines in dem anderen zu finden. Der Mufflon erkennt es gleichſam ſelbſt, daß er ein Schaf, das Schaf, daß es ein Mufflon iſt. Jhre Stimme iſt ihre Loſung. Bisweilen verläßt der Mufflon ſeinen gebirgigen Aufenthalt und kommt freiwillig zu den Schafen, um mit ihnen zu leben, ſi< mit ihnen zu paaren; bisweilen auch ſucht ein mutterloſes Lamm ein Mufflonſhaf auf, verfolgt es blökend, um zu ſaugen, und ſcheint es um gerechtes Erbarmen anzuflehen, als ob es nah dem Nechte der Blutsverwandtſchaft ihm die Laſt der Erziehung auferlegen wolle.“ Jm Dorfe Atzara de>te ein Mufflon ein Schaf, welches einen Umber warf; dieſer paarte ſih ebenfalls mit einem Hausſcafe und erzeugte einen anderweitigen Blendling. Später angeſtellte Verſuche hatten dasſelbe Ergebnis. Jn der faiſerlihen Sammlung zu Schönbrunn wurden, wie Fißing eer berichtet, mehrere Male Muſfflons mit deutſchen Landſchafen gepaart. Die Baſtarde aus dieſer Kreuzung paarte man zuweilen wieder mit dem Mufflon, zuweilen mit dem Hausſchafe und immer mit Erfolg. Manche Blendlinge hatten große Ähnlichkeit mit dem Wildſchafe nur waren die Hörner weniger gebogen und minder ſtark. Einige Männchen erhielten vier Hörner wie jene Schafe-