Brehms Tierleben eallgemeine Kunde des Tierreichs : mit 1800 Abbildungen im Text, 9 Karten und 180 Tafein in Farbendruck und Holzschnitt 1/3

62 Zehnte Ordnung: Unpaarzeher; erſte Familie: Pferde.

niht în ſo beträchtlicher Anzahl wie in den wüſtenhaſten Steppen der Mongolei und Nordweſthinas oder auf den Gebirgen Tibets. „Die turkmeniſchen Steppen“, ſchreibt A. Walter, „bevölkert der Kulan in ihrer ganzen Ausdehnung no< heute in ziemlih bedeutender Anzahl und hat ſi< nur aus den dur den transkaſpiſhen Bahnbau und die neuen Militärpoſten belebten Teile weiter in unberührte Einöden zurü>gezogen. Um Beginn des Bahnbaues ſind ſtarke Herden oft nahe der Linie um Kaſantſchik ſowie zwiſhen Duſchak und Kary-bend bemerkt worden. Feßt ſcheinen ſie dort verſhwunden zu ſein. Häufiger ſoll man ihnen no< in den öden Steppenflächen nördli<h des Atrek begegnen, und maſſenhaft ſind ſie ſtändig längs der Afghanengrenze, wie überhaupt in der Hügelwüſte zwiſchen dem Tedſchen und Murgab vorhanden. Namentlih unfern des Brunnens Adam-ilen, zwiſchen Pul-i-<atun und Akrabat, traf i< ihrer viele im April 1887, neben zahlloſen Scharen von Antilopen.“

Wahrſcheinli< verweilt der Kulan an keiner Stelle ſeines ausgedehnten Verbreitungsgebietes jahraus jahrein auf derſelben Örtlichkeit. Seine wetterwendiſche Heimat zwingt ihn zum Wandern. Mit Eintritt des Winters ſammeln ſich die einzelnen Genoſſenſchaften zu größeren Trupps, vereinigen ſi<h mit anderen bereits geſcharten und ſhwellen nah und na< zu Herden an, welche tauſend und mehr Stück zählen können, um gemeinſchaftlih nahrungsverſprechenden Gegenden zuzuwandern. Die genannten Sommerſtände des Gebietes von Akmolinsk z. B. verlaſſen ſie, in einem Jahre wie in dem anderen, bereits im Auguſt, um dex ſogenannten Hungerſteppe Bitpak zuzuwandern. Einen Monat ſpäter trifft man ſie hier auf den alt gewohnten Winterſtänden, und zwar auch jeßt noh in ſo zahlreichen Herden, daß ihr dröhnender Hufſchlag auf weithin vernommen wird und, wie man uns in Sibirien erzählte, mehr als einmal die Koſaken in den Grenzwathten unter die Waffen gerufen haben ſoll. Mit Beginn der Schneeſchmelze treten ſie die Rü>wanderung an, und im April rü>en ſie wiederum auf den Sommerſtänden ein. So geſchieht es mit größter Regelmäßigkeit in jedem Jahre und im Weſten ihres Verbreitungsgebietes wie im Oſten. „Die bedeutendſten Wanderungen des Dſchiggetai“, ſagt Nadde, „finden (in Dſtſibirien) im Herbſte ſtatt, weil die unſtete Lebensweiſe erſt dann beginnen kann, wenn die Füllen vom leßten Sommer kräftig genug ſind, die anhaltenden ſchnellen Märſche mitz zumachen. Ende September trennen ſich die jungen Hengſte von den Herden, denen ſie bis ins 3. oder 4. Jahr angehörten, und ziehen einzeln in die bergigen Steppen, um ſich ſelbſt eine Herde zu gründen. Dann iſt der Dſchiggetai am unbändigſten. Stundenlang ſteht der junge Hengſt auf der höchſten Spite eines ſteilen Gebirgsrüdens, gegen den Wind gerihtet, und bli>t weit hin über die niedrige Landſchaft. Seine Nüſtern ſind weit geöffnet; ſein Auge durchirrt die Öde. Kampfgierig wartet er eines Gegners; ſobald er einen ſolchen gewahrt, ſprengt er ihm in geſtre>tem Galopp entgegen. Nun entbrennt ein blutiger Kampf um die Stuten.“ Alle von Radde erlegten Hengſte bewieſen durch ihre zahlreichen Narben, wie kampfluſtig dieſe ſchnellen Pferde ſind.

Die Anzahl der Stuten, welche ein Hengſt ſih erkämpft, ſhwankt, je nah der Örtlichfeit und Gelegenheit, zwiſchen 3 und 20 und mehx, ſo daß ein Trupp aus 6 oder $—50 Stück beſtehen kann. Unter Umſtänden vereinigen ſi< au< im Sommer, jedo<h immer nur ausnahmsweiſe, mehrere Trupps, und man kann dann mehrere Hunderte von Kulanen gewahren, welche zeitweilig gemeinſchaftlih weiden und ſodann ſi< wiederum in kleinere Herden zerteilen. Jedem einzelnen dieſer Haufen ſteht ein Hengſt als unbedingter Beherrſcher, Leiter und Führer vor. Je nach ſeinen Begabungen, ſeinem Alter und Mute, ſeiner Kampfluſt und Stärke iſt die Anzahl der Stuten größer oder geringer. Ein Hengſt iſt zum Beſtehen eines Trupps unbedingt erforderlich; wird ex getötet, ſo zerſtreuen ſich die Stuten; wird er beſiegt, ſo folgen ſie anderen Bewerbern. Der in der Vollkraft ſtehende