Brehms Tierleben eallgemeine Kunde des Tierreichs : mit 1800 Abbildungen im Text, 9 Karten und 180 Tafein in Farbendruck und Holzschnitt 1/3

Hauseſel: Verbreitung. Behandlung. 73

oder Miſchling von Eingeborenen und Neger noh dazu hinten auf und ſ{<lägt ohne Erbarmen auf das arme Tier los. Zwei Reiter auf einem Eſel ſind ebenfalls gar nichts Seltenes. Es gibt in Lima ein Sprichwort, welches dieſe Stadt für den Himmel der Frauen und die Hölle der Eſel erklärt.“ Auch der gewöhnliche ägyptiſche Eſel hat nicht etwa ein beneidenswertes Los. Er iſt jedermanns Sklave und jedermanns Narr. Jm ganzen Morgenlande fällt es niemand ein, zu Fuß zu gehen; ſogar der Bettler hat gewöhnlich ſeinen Eſel: er reitet auf ihm bis zu dem Orte, wo er ſi< Almoſen erbitten will, läßt den Eſel, wie er ſi ausdrüdt, auf „Gottes Grund und Boden“ weiden und reitet abends auf ihm wieder nah Hauje.

Nirgends dürſte die Eſelreiterei ſo im Schwange ſein wie in Ägypten. Hier ſind die willigen Tiere in allen größeren Städten geradezu unentbehrli<h zur Bequemlichkeit des Lebens. Man gebraucht ſie, wie man unſere Lohnkutſchen verwendet, und deshalb gilt es au< durchaus niht für eine Schande, ſih ihrer zu bedienen. Bei der Enge der Straßen jener Städte ſind ſie allein geeignet, die notwendigen Wege abzukürzen und zu erleichtern. Daher ſieht man ſie in Kairo z. B. überall in dem ununterbrochenen Menſchenſtrome, welher ſi durch die Straßen wälzt. Die Eſeltreiber Kairos bilden einen eigenen Stand, eine förmliche Kaſte, ſie gehören zu der Stadt wie die Minarets und die Palmen. Sie ſind den Einheimiſchen wie den Fremden unentbehrlich; ſie ſind es, denen man jeden Tag zu danken hat, und welche jeden Zag die Galle in Aufregung zu bringen wiſſen. „Es iſt eine wahre Luſt und ein wahrer Jammer“, ſagt Bogumil Goltz, „mit dieſen Eſeljungen umzugehen. Man ftann nicht einig mit ihnen werden, ſoll man ſie für gutmütiger oder bösartiger, ſtörriſcher oder dienſtwilliger, träger oder lebhafter, verſhmißter oder unverſchämter halten: ſie ſind ein Quirl von allen möglichen Eigenſchaften.“ Der Reiſende begegnet ihnen, ſobald er in Alexandria ſeinen Fuß an die Küſte ſezt. Auf jedem belebten Plate ſtehen ſie mit ihren Tieren von Sonnenauf- bis Sonnenuntergang. Die Ankunft eines Dampfſchiffes iſt für ſie ein Ereignis; denn es gilt jeßt, den in ihren Augen Unwiſſenden, bezüglich Dummen, zu erfämpfen. Der Fremde wird zunächſt in 3—4 Sprachen angeredet, und wehe ihm, wenn er engliſche Laute hören läßt. Sofort entſteht um den Geldmann eine Prügelei, bis der Reiſende das klügſte thut, was er thun kann, nämlih auf gut Glüt einen der Eſel beſteigt und ſi<h von dem Jungen nah dem erſten beſten Gaſthauſe ſchaffen läßt. So ſtellen fie ſi zuerſt dar; aber erſt wenn man der arabiſchen Sprache kundig iſt und ſtatt des Kauderwelſches von 3—4 durch ſie gemißhandelten Sprachen in ihrer Zunge mit ihnen reden fann, lernt man ſie kennen.

„Sieh, Herr“, ſagt der eine, „dieſen Dampfwagen von einem Eſel, wie ih ihn dix anbiete, und vergleiche mit ihm die übrigen, welche die anderen Knaben dix anpreiſen! Sie müſſen unter dir zuſammenbrechen; denn es ſind erbärmliche Geſchöpfe und du biſt ein ſtarker Mann! Aber der meinige! Jhm iſt es eine Kleinigkeit, mit dix wie eine Gazelle davonzulaufen.“ — „Das iſt ein Kahiriner Eſel“ ſagte der andere; „ſein Großvater wax ein Gazellenbo> und ſeine Ururmutter ein wildes Pferd. Ei, du Kahiriner, lauf! und beſtätige dem Herrn meine Worte! Mache deinen Eltern keine Schande, geh! an im Namen Gottes, meine Gazelle, meine Shwalbe!“ Der dritte will beide überbieten indem er ſeinen Eſel als „Bismar>“, „Moltke“ 2c. rühmt, und in dieſem Tone geht es fort, bis man endlich eines der Tiere beſtiegen hat. Dieſes wird nun dur< unnachahmliches Zuden, Schlagen oder dur Stöße, Stiche und Schläge des an dem einen Ende zugeſpißten Treibſto>es in Galopp gebracht, und hinterher hebt der Knabe, rufend, ſchreiend, anſpornend, plaudernd, ſeine Lungen mißhandelnd, wie den Eſel vor ihm. So jagt man zwiſchen Tieren und Reitern, zwiſchen Straßenkarren, laſttragenden Kamelen, Wagen und Fußgängern durch, und der Eſel verliert keinen Augenbli> ſeine Luſt, ſondern ſtürmt dahin in einem höchſt angenehmen