Brehms Tierleben eallgemeine Kunde des Tierreichs : mit 1800 Abbildungen im Text, 9 Karten und 180 Tafein in Farbendruck und Holzschnitt 2/1
Pflege und Wartung der Jungen. 29
ſi vom beſ<hwerlichen Eintritte in die Welt erholt haben, ſett ſih die Mutter zure<t und beginnt zu milben. Sie beſichtigt ihre Kinder mit leu<htenden Augen von allen Seiten, bewegt ſich mit äußerſter Vorſicht, um das verhaßte Wild niht zu verſcheuchen, faßt plößlich zu, ergreift und verzehrt einen Shmaroßer und lauert von neuem. Die Kleinen ſcheinen ſich während der Ausübung dieſer niederen Jagd niht ganz wohl zu fühlen. Der oft lange währende Anſtand entzieht ihnen zu viel Wärme, und deshalb verſuchen ſie oft mühſelig, unter den Leib der Mutter zurückzukriehen. Dieſe aber rü>t dann ſo lange empor, bis jene niht mehr zu folgen vermögen und wiederum unter mangelnder Wärme leiden. Gelegentlih mit den Milben werden auch die Haarfedern erfaßt, was man aus den häufigen Zuckungen der Jungen deutli genug entnehmen kann. Zuweilen dauerte mir die Jagd der Eltern ſo lange, daß ih, aus Sorge für Erkältung der zarten Jungen, dur< Anklopfen an das Gebauer Einhalt gebot. Die ſorgſame Mutter begnügt ſih niht bloß mit dem Kopfe ihrer Kleinen, ſondern unterſu<ht auh Rücken und Seiten, bü>t ſich ſelbſt bis auf den Grund des Neſtes, um womöglih ebenſo den Unterleib zu prüfen. Bei einer ſolchen Gelegenheit warf einmal eine Zeiſigmutter ihr nates Kind auf den Rü>en und überließ mir die Sorge, es wieder aufzurihten. Um meinen Vögeln die Fagd zu erleichtern, ſprißte ih einige Tropfen Jnſektentinktur ans äußere Neſt. Nach wenigen Augenbli>en ſeßten ſih die Plagegeiſter in Bewegung und mit ihnen das Weibchen. Zunächſt fing es das auf dem Rande erſcheinende Wild; ſodann erhob es ſi< und lehnte ſich weit über den Rand hinaus, um die Zagd an der Außenſeite fortzuſeben, und erſt plößliche Verfinſterung durch aufſteigende Gewitterwolken geboten ſeinem Eifer Einhalt. Das Milbengezücht ſelbſt bleibt wegen ſeiner Kleinheit dem Beobachter meiſt unſichtbar; gleichwohl ſind die Ergebniſſe der Fagd deutlich zu erkennen, weil die Verſpeiſung des kleinen Wildes ungleich auffälligere Schluckbewegungen erfordert als große Biſſen, bei denen das Schlucken nur ſelten bemerkt wird.
„Die Entwi>elung der Federn junger Neſtvögel geht in der erſten Woche ihres Lebens unverhältnismäßig langſamer von ſtatten als in den folgenden. Eine mitwirkende Urſache liegt außer anderem darin, daß die Mutter kleiner Neſtho>er von der zweiten Woche an das Neſt häufiger und länger verläßt, Luft und Licht beliebig eindringen und den Kleinen zur Bearbeitung der Federn Gelegenheit gegeben wird. Einen ergößlichen Anbli> gewährt der Eifer, mit welchem die unbehilflichen Vögelchen die Köpfe drehen, um bald an den eben hervorſprießenden, kaum faßbaren Kielen, bald an den na>ten Stellen, welche leßtere eben erſt bilden ſollen, zu fnabbern. Einen überzeugenden Beweis für dieſe Meinung lieferten die im Winter ausgebrüteten Kanarienvögel. Der niedrigen Wärme wegen wurden ſie von ihren Eltern eifriger bede>t, als es im Sommer zu geſchehen pflegt, und die Folge war, daß ſich die Leiber gut entwi>elt, die Federn hingegen am 11., 12. und 13. Lebenstage noh ſehr unvollkommen zeigten; ja ein Junges, welches am 16. Lebenstage das Neſt freiwillig oerlaſſen hatte, war ſo ſhle<t befiedert, daß es von mir no< mehrere Nächte in den Wattenfaſten gebracht werden mußte. Beim Verlaſſen des Neſtes ragen, zumal auf dem Kopfe, noch viele urſprüngliche Haarfedern über die anderen empor. Die meiſten mögen ſih unter die Deffedern legen; andere werden höchſt wahrſcheinlih von den Eltern ausgerupft: wenigſtens bemerkt man, daß leßtere ihre auf den Sproſſen ſißenden Kinder eine Zeitlang unbeweglih betrachten, plöglih zupi>en und die Kleinen dur zu>kende Bewegungen verraten, daß ihnen wehe gethan wurde. Junge Kanarienvögel haben die Gewohnheit, im Herbſte einander die Rükenfedern bis zur Nacktheit blutrünſtig auszureißen ; dies aber hört auf, ſobald Nachwuchs der Federn eingetreten iſt. Die Anlegung des Alters- oder zweiten JU: gendfleides beanſprucht verſchieden lange Zeit, meiſt aber einige Monate.“
Die vorſtehend wiedergegebenen unübertreſflichen Beobachtungen ſollen, wie ih ausdrü>li< hervorheben will, nur für Zeiſige, Kanarienvögel und Gimpel Gültigkeit haben; es