Brehms Tierleben eallgemeine Kunde des Tierreichs : mit 1800 Abbildungen im Text, 9 Karten und 180 Tafein in Farbendruck und Holzschnitt 2/1

Grünſpecht: Stimme. Lebensweiſe. Fortpflanzung. 583

den Ameiſen verzehrt der Grünſpeht auh mancherlei Käfer- und Schmetterlingslarven, namentlih die des Bo>kkäfers und des Weidenbohrers, ebenſo, nah einer beahtens8werten Mitteilung Hallers, Maulwurfsgrillen, die er wie jene Maden thatſählih mit ſeiner Zunge anſpießt und aus ihren Höhlen und Winterſchlupfwinkeln hervorzieht. Da er ſich gewöhnt, im Winter Dörfer und Gehöfte zu beſuchen, ſo kann es geſchehen, daß er ſich au< wohl Übergriffe in menſchlihes Beſißtum zu ſhulden fommen läßt. Ganz abgeſehen davon, daß ex bei ſeinem Suchen nach verſte>ten Kerbtieren Lehmwände und Strohdächer zerha>t, zermeißelt er auh dann und wann einmal die Wand eines Vienenſto>es und richtet nunmehr unter den im Winterſchlaf liegenden Jmmen arge Verheerungen an. Auch Pflanzenſtoffe verſhmäht er niht gänzlih. Schacht erfuhr, daß er Vogelbeeren verzehrt, und Haller beobachtete einen Grünſpecht, der allwinterlih ein mit wilden Reben über: ſponnenes Gartenhäuschen beſuchte und hier ſi<h an den Beeren gütlih that.

Ende Februar ſtellt er ſi< auf ſeinem Brutplate ein; aber erſt im April macht das Weibchen Anſtalt zum Niſten. Jm März ſieht man beide Gatten ſtets vereinigt, und das Männchen zeigt ſich dann ſehr erregt. Es ſebt ſich auf die Spitze eines hohen Baumes, ſchreit ſtark und oft und jagt ſodann das herbeigekommene Weibchen ſpielend von Baum zu Baum. Gegen andere Grünſpechte benimmt ſih das Pärchen ſehr unfreundlich; das einmal gewählte Gebiet wird gegen jeden Eindringling und, wenn es an geeigneten Niſt: bäumen fehlt, auh gegen den Grauſpeht hartnä>ig verteidigt. Wie übli, erwählt der Grünſpecht zur Ausarbeitung ſeiner Niſthöhle einen Baum, der im Fnneren kernfaul oder ſhon hohl iſt. Hier ſucht er ſih eine Stelle aus, wo ein Aff ausgeſault war, und dieſe Stelle wird nun erweitert. Beide Gatten arbeiten gemeinſchaftlih und ſehr fleißig, ſo daß die Höhlung ſhon innerhalb 14 Tagen vollendet iſt. Der runde Eingang iſt ſo klein, daß der Vogel eben aus- und einſhlüpfen kann, die innere Höhlung 25—50 cm tief und etwa 15—20 cm weit. Trifft der Grünſpe<ht im Jnneren auf ſehr feſtes Holz, ſo läßt er die begonnene Arbeit liegen, und lieber noc, als er eine neue Höhlung ſich zimmert, benugt er eine alte, die ein anderer ſeiner Art meißelte, kehrt auh, wenn er nicht geſtört wurde, im nächſten Jahre wieder zu ihr zurü>. Das Gelege beſteht aus 6—8 länglichen, glattſchaligen, glänzend weißen Eiern. Beide Gatten brüten wechſelweiſe 16—18 Tage lang, das Männchen von 10 Uhr morgens bis 3 oder 4 Uhr nachmittags, das Weibchen während der übrigen Zeit des Tages; beide erwärmen die zarten Jungen abwechſelnd, und beide tragen ihnen eifrig Nahrung zu. Die Jungen ſind ebenſo häßlich wie anderer Spechte Kinder, entwi>eln ſi ebenſo raſh und ſchauen ſchon in der dritten Woche ihres eigentlichen Lebens aus dem Neſtloche heraus. Später beklettern ſie von hier aus den ganzen Baum, und endlih durhſtreifen ſie mit ihren Eltern das Wohngebiet, kehren aber no< eine Zeitlang allabendlich zu der Bruthöhle zurü>. Die Streifzüge werden nun weiter und weiter ausgedehnt, und ſ<ließlih ſucht die Familie, die no< immer zuſammenhält, niht mehr die Bruthöhle auf, ſondern übernachtet irgendwo in einer anderen. Vom Dktobex an vereinzelt ſi die Geſellſchaft: die Jungen ſind ſelbſtändig geworden, und jeder ſucht ſi<h nunmehr ohne Nückſicht auf die anderen ſein tägliches Brot.

Der Grünſpecht iſt {wer zu fangen. Fn Sprenkeln oder auf dem Vogelherde wird bloß zufällig einer berüdt; eher noh gelingt dies, wenn man ſeine Schlafhöhlung ausgefundſchaftet hat und vor dem Eingange Schlingen anbringt. „Fn meinem Wäldchen“, exzählt Naumann, „hatte ſih einſt ein Grünſpecht eine Höhle zu ſeiner Nachtruhe in eine alte, hohe, graue Eſpe gezimmert. F< erſtieg den Baum mit einer langen Leiter, {lug ein Stifthen dicht über das zirkelrunde Loh und hing einen dünnen Bügel mit Schlingen loſe daran, ſo daß dieſe den Eingang beſtellten. Aus einex alten Laubhütte beobachtete ih nun ungeſehen den ſ{hlauen Specht, der exſt im Düſtern ankam, die Anſtalten ſcheu