Brehms Tierleben eallgemeine Kunde des Tierreichs : mit 1800 Abbildungen im Text, 9 Karten und 180 Tafein in Farbendruck und Holzschnitt 2/1

Sammelſpecht: H. de Sauſſures Bericht. 599

Durchmeſſer ihrer Blütenſchäfte 5—8 em beträgt. Zwiſchen den Artiſchokenarten , die dem weißen Sande außerdem noch entſprießen, wirft eine große Yucca ihren ſpärlichen Schatten auf blaugraue Trachytmaſſen, und ſie allein vertritt hier, wo Bäume für eine wunderbare Erſcheinung gelten können, deren Stelle.

„Dieſe dürre Einöde, die, wie es ſchien, dur kein lebendes Weſen erheitert wurde, begann einen tiefen Eindru> auf mi auszuüben: da ward meine Aufmerkſamkeit plößlich durc eine große Menge von Spechten, die einzigen Bewohner dieſer öden Striche, in Anſpruh genommen. Nie ſtößt man ohne eine gewiſſe Freude, nahdem man tote Wüſten durhwandert, wieder auf Leben, und mir war es in dieſer Hinſicht ſeit langem nicht ſo wohl geworden. Jh ward bald inne, daß der Kupferſpect der König dieſer Örtlichkeit ſei; denn obwohl no< andere Arten ſih daſelbſt verſammelt hatten, ſo behauptete er doh unbeſtreitbar das Übergewicht. Alle dieſe Vögel, groß wie klein, waren in außerordentlich lebhafter Bewegung, und in dem ganzen Agavenbeſtande herrſchte eine faſt unnatürliche Regſamkeit, eine ungewohnte Thätigkeit. Dazu hatte die Vereinigung ſo vieler Spechte an einer Stelle ſchon für ſic allein etwas Auffallendes, weil die Natur dieſen Vögeln weit eher Liebe zur Einſamkeit und eine Lebensweiſe zum Erbteile gegeben hat, die ihnen, bei Strafe des Mangels, geſelliges Beiſammenwohnen unterſagt. Jh verbarg mich nun in dem wenig gaſtlihen Schatten einer Yucca und verſuchte, zu beobachten, was hier vorgehen würde.

„Es dauerte niht lange, ſo löſte ſi<h vor meinen Augen das Nätſel. Die Spechte flogen hin und her, kflammerten ſi an jede Pflanze und entfernten ſich darauf faſt augenbliflih. Am häufigſten ſah man ſie an den Blütenſchäften der Agaven. An dieſen hämmerten ſie einen Augenbli>, indem ſie mit ihren ſpißzigen Schnäbeln wiederholt an dem Holze klopften; gleih darauf flogen ſie an die Yuccaſtämme, wo ſie dieſelbe Arbeit aufs neue vornahmen; dann kehrten ſie ſhnell wieder zu den Agaven zurü>, und ſo fort. Jh näherte mi daher den Agaven, betrachtete ihre Stengel und fand ſie ſiebförmig dur<bohrt und zwar ſo, daß die Löcher unregelmäßig eins über dem anderen ſich befanden. Dieſe Öffnungen ſtanden offenbar mit Höhlungen im Fnneren in Verbindung; ich beeilte mich daher, einen Blütenſchaft abzuhauen und ihn auseinander zu ſhneiden, um ſeinen Mittelraum zu betrahten. Wie groß war mein Erſtaunen, als ih darin ein wahres Vorratshaus von Nahrungsſtoffen entde>te! Die weiſe Vorſicht, die der funſtfertige Vogel durch die Wahl dieſer Vorratskammer und die Geſchi>lichkeit, mit der er ſie zu füllen verſteht, an den Tag legt, verdienen beide in gleichem Maße beſchrieben zu werden.

„Die Agavepflanze ſtirbt, nachdem ſie geblüht hat, ab und vertro>net; aber noch lange nachher bleibt ſie aufrecht ſtehen, und ihr Schaft bildet gleichſam einen ſenkre<ten Pfahl, deſſen äußere Schicht beim Abtro>nen erhärtet, während das Mark des Jnneren na< und nach verſhwindet und ſo in der Achſe des Stengels eine Röhre frei läßt, die deſſen ganze Länge einnimmt. Dieſe Röhre hat der Specht dazu erſehen, ſeine Lebensmittel darin aufzuſpeihern. Die Lebensmittel aber ſind Eicheln, die von unſeren Vögeln für den Winter in jenen natürlichen Speichern aufgehäuft werden. Die Mittelröhre des Schaſtes der Agaven hat einen Durchmeſſer, gerade groß genug, Eicheln einzeln durhzulaſſen, ſo daß ſie der Reihe nah, eine über der anderen, wie die Kügelchen eines Roſenkranzes zu liegen fommen; wenn man die Röhre der Länge nach ſpaltet, ſo findet man ſie gleihſam mit einer Säule von Eicheln angefüllt. Jndes iſt ihr Aufeinanderliegen niht immer ſo regelmäßig. Jn den ſtärkſten Agaven iſt die Mittelröhre weiter, und in einer ſolchen häufen ſih dann die Eicheln unregelmäßiger an. Aber wie ſtellt es der Vogel añ, um ſeine Vorxratskammer, welche die Natur ringsum verſchloſſen hat, zu füllen?

„Mit Schnabelhieben bohrt er am unterſten Teile des Schaftes ein kleines rundes

Loch dur das Holz. Dieſes Loch erſtre>t ſich bis zur Mittelröhre. Er benußt dann dieſe