Brehms Tierleben eallgemeine Kunde des Tierreichs : mit 1800 Abbildungen im Text, 9 Karten und 180 Tafein in Farbendruck und Holzschnitt 2/1

600 Erſte Ordnung: Baumvögel; ahtundzwanzigſte Familie: Spechte.

Öffnung, um Eicheln hineinzuſtopfen, bis er damit den Teil der Röhre gefüllt hat, der unter- halb des Loches liegt. Hierauf bohrt er ein zweites Loch an einem höher gelegenen Punkte des Schaftes, dur<h welches er den inneren Raum der Mittelröhre zwiſchen den beiden Öffnungen, anfüllt. "Gleich darauf bringt er ein drittes Loh no< höher hinauf an, und ſo fährt er fort, bis er ſo ho hinaufgeſtiegen iſt, daß er den Punkt des Schaftes erreicht, wo die Röhre ſo eng wird, daß ſie keine Eicheln mehr dur<hläßt. Man beachte jedo<, daß dieſe Schaftröhre weder weit noch rein genug iſt, als daß die Eicheln vermöge ihrer Schwere nach unten gezogen würden; der Vogel iſt im Gegenteile gezwungen, ſie hineinzuſtoßen, und tros ſeines großen Geſchi>es bei dieſer Arbeit gelingt es ihm doh meiſt nux, -ſie 2—5 cm tief in die Nöhre hinabzuſchieben; er iſt daher in die Notwendigkeit verſet, die Löcher ſehr nahe übereinander zu ſtellen, wenn er vom Grunde bis zum Gipfel ein vollſtändiges Füllen des Schaftes bewerkſtelligen will. Auch dieſe Arbeit verrichtet ex niht immer mit gleicher Regelmäßigkeit. Es gibt viele Agavenſchäfte, deren Mark noh faſt unverſehrt geblieben iſt und kaum irgend eine Röhre bildet. Jn dieſem Falle muß der Specht andere Kunſtgrifſe anwenden, um ſeine Eichelvorräte niederzulegen. Wo er keine Höhlungen findet, muß er ſelbſt welche meißeln. Zu dieſem Behufe bohrt er für jede Eichel, die er verſte>en will, ein beſonderes Loch und legt ſie dann in dem Marke ſelbſt nieder, indem ex hier ein Loch bohrt, weit genug, eine Eichel aufzunehmen. So findet man viele Stengel, in denen die Eicheln niht în einer Röhre angehäuft ſind, ſondern jede für ſih am Ende eines der Löcher liegt, mit welchen die Oberfläche des Schaftes überſäet iſt. Das iſt eine harte Arbeit und verurſaht dem Vogel viel Mühe. Er muß ſehr fleißig ſein, um eine ſolche Vorratsfammer anzulegen. Um ſo leihter wird es ihm nachher, ſie zu benugen. Ex hat dann niht mehr nötig, ſeine Nahrung unter einer mühſam zu durchbrechenden Holzſchi<t zu ſuchen; er braucht nur ſeinen ſpißigen Schnabel in eine jener ſchon fertigen Öffnungen zu ſte>en, um eine Mahlzeit daraus hervorzulangen.

„Die Geduld, welche die Spehte beim Füllen ihrer Vorratskammern zeigen, iſt nicht das einzige Bemerkenswerte an ihnen: die Beharrlichkeit, die ſie anwenden müſſen, ſi die Eicheln zu verſchaffen, iſt noh ſtaunenswerter. Der Pizarro erhebt ſi inmitten einer Wüſte von Sand und Laven, auf denen kein CEihbaum wächſt. Es iſt mir unbegreiflih, von woher ſie Lebensmittel geholt hatten. Sie müſſen viele Kilometer weit dana geflogen ſein, vielleicht bis zum Abhange der Cordillera.

„Durch ein ſo kunſtvolles Verfahren ſ{hüßt die Natur dieſe Spechte gegen die Schre>en des Hungers in einem öden Lande, während eines ſe<8monatigen Winters, wo ein ſtets heiterer Himmel alles aufs höchſte ausdorrt. Die Troenheit verurſacht dann den Tod des Pflanzenlebens, wie bei uns die Kälte, und die allein ihr widerſtehenden, überaus dürren, lederartigen Gewächſe der Savanne ernähren keine von den Kerbtieren mehr, welche der Specht zu ſeinem Unterhalte bedarf. Ohne die geſchilderte Hilfsquelle bliebe unſeren Vögeln nur übrig, entweder fortzuziehen oder Hungers zu ſterben.

„Wir waren damals im April, d. h. im fünften oder ſe<ſten Monate der rauhen Fahreszeit, und die Spechte beſchäftigten ſih damit, Eicheln aus ihren Vorratskammern hervorzulangen. Alles veranlaßt zu dem Glauben, daß es wirklich die Eicheln ſind, die ihnen zur Speiſe dienen, und nicht etwa kleine Larven, die jene enthalten können. Die Art und Weiſe, wie ſie die Eicheln genießen, iſt ebenſo merkwürdig wie das oben Angedeutete. Die glatte, rundlihhe Eichel kann von den zu großen Füßen des Spechtes ſchwer gefaßt werden. Um ihr einen Halt zu geben, und um ſie mit dem Schnabel ſpalten zu können, nimmt der Vogel wieder ſeine Zuflucht zu einem ſehr geſchi>ten Kunſtgriffe. Er bohrt in die Rinde, welche die verdorrten Yuccaſtämme umgibt, ein Loch, gerade groß genug, um die Eichel mit ihrem dünnen Ende hineinzuſte>en, aber nicht groß genug, um ſie ganz hineingehen zu laſſen, klemmt